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Politik: Die Inkonsequenz in der Demokratie

Am Ende wurde Andrea Fischer richtig wütend. Sie sei "dieses Eiferertum" leid, schimpfte die Grünen-Politikerin - den ständigen Vergleich von Genforschungs-Skeptiker mit mittelalterlichen Fortschrittsfeinden, das Herumreiten auf deren "Inkonsequenz" angesichts akzeptierter, vieltausendfacher Abtreibung.

Am Ende wurde Andrea Fischer richtig wütend. Sie sei "dieses Eiferertum" leid, schimpfte die Grünen-Politikerin - den ständigen Vergleich von Genforschungs-Skeptiker mit mittelalterlichen Fortschrittsfeinden, das Herumreiten auf deren "Inkonsequenz" angesichts akzeptierter, vieltausendfacher Abtreibung. "Natürlich sind wir inkonsequent in einer demokratischen Gesellschaft", räumte sie ein. Doch auch die Befürworter der embryonalen Stammzellenforschung sollten nicht so tun, als seien sie "im Besitz einer allgemein gültigen Wahrheit".

Zum Thema Dokumentation: Die Debatte um die Stammzellen-Forschung Die Kritik galt CDU-Mann Peter Hintze, der das Unterlassen von Genforschung rundheraus als Verstoß gegen Menschenwürde und Schöpfungsauftrag bezeichnete, von einer "Ethik der Gesunden" sprach. Ruhig, klar und unerschütterlich hingegen die Position des Berliner Kardinals Georg Sterzinsky: Die Kirche habe keinerlei Bedenken gegen die Genforschung, "solange das genetische Material kein Mensch ist". Menschen aber dürften nicht verbraucht werden - "auch nicht um eines anderen hohen Gutes willen".

Es ging nicht um wirtschaftliche Chancen oder Fährnisse der Genforschung an diesem Donnerstagabend beim Verein Berliner Kaufleute und Industrieller. Bei der Diskussion in Kooperation mit dem Tagesspiegel ergingen sich die Teilnehmer eher in Grundsatz- und Weltanschauungsfragen. Über Wahrheit, so hatte Sterzinsky in die Runde geworfen, könne man nicht demokratisch abstimmen lassen. Eine Äußerung, die Hintze, immerhin selber Theologe, als "haarig ideologisch" bezeichnete. Selbst für Christen sei die Unterscheidung zwischen Gut und Böse nicht immer klar. Und keinesfalls sei es zu akzeptieren, dass man Forscher, die sich dem Kampf gegen Krankheit und Elend widmeten, der Unmoral bezichtige.

Der Berliner Molekularbiologe Detlev Ganten hatte mit dem Wahrheitsbegriff ohnehin sein Problem. "Der ist uns wesensfremd, wir stellen immer in Frage", sagte er. Eine plurale Gesellschaft müsse sich auf wenige Konsens-Kriterien wie Menschenwürde, Lebensschutz, Selbstbestimmung und Freiheit beschränken. Ganten forderte mehr Mut und Vertrauen in die Wissenschaft. Gleichzeitig warnte er davor, bei der Genforschung zurückzufallen. "Das macht unser Land nicht mit und unsere Wirtschaft schon gar nicht."

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