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Eine BDS-Demo in Berlin

© imago/Stefan Zeitz

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Die israelkritische BDS-Bewegung darf in Stadthallen ein Thema sein

Die Stadt München hatte beschlossen, der Kampagne den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen zu verwehren. Doch das verletzt die Meinungsfreiheit.

Es ging überraschend schnell am Mittwoch in Leipzig. Nach nicht einmal einer Stunde war der Prozess am Bundesverwaltungsgericht vorbei. Da hatte die Vorsitzende Richterin des achten Senats Ulla Held-Daab schon deutlich gemacht, in welche Richtung es im Streit um die israelkritische BDS-Kampagne („Boycott, Divestment and Sanctions“) wohl gehen werde: Für die Meinungsfreiheit, gegen indirekte Sanktionen.

Als solche muss man den Versuch der Stadt München wohl sehen, per Stadtratsbeschluss aus dem Jahr 2017 den Zugang zu öffentlichen Sälen für BDS-Veranstaltungen zu verweigern. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit sei verletzt, wenn die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung allein deshalb ausgeschlossen wird, weil man sich bei der geplanten Veranstaltung mit einem bestimmten Thema befassen wolle, hieß es später in der Urteilsverkündung (8 C 35.20). Die BDS-Leute haben damit Anspruch auf Zugang zur Halle.

Der Bewegung wird Antisemitismus vorgeworfen

Die Anhänger von BDS sehen sich als Vertreter der palästinensischen Zivilgesellschaft und adressieren ihre radikale Kritik an den israelischen Staat, der aus ihrer Sicht mit seiner Politik Menschenrechte verletze. Dafür rufen sie unter anderem dazu auf, den Kauf israelischer Waren zu boykottieren. Vielfach wird darin eine Form von Antisemitismus gesehen, weil mit solchen Aktionen die Bürgerinnen und Bürger Israels direkt betroffen seien. Zwei Jahre nach dem Münchner Stadtratsbeschluss hat auch der Bundestag die Handlungen der Organisation scharf verurteilt. Dass Kommunen dem BDS den Zugang zu öffentlichen Räumen verweigern, wurde ausdrücklich begrüßt.

Doch wie sich nun zeigt, ist eine derartige Beschränkung nicht haltbar. Geklagt hatte ein Münchner Bürger, der den Stadtratsbeschluss in einer Podiumsdiskussion exemplarisch thematisieren lassen wollte. Titelfrage: „Wie sehr schränkt München die Meinungsfreiheit ein?“. Nach dem Wortlaut des Beschlusses sehr weit: Er untersagt eine Nutzung, wenn man sich dabei mit „Inhalten, Themen und Zielen“ der BDS-Kampagne befassen oder sie unterstützen wolle. Also lehnte die Stadt ab.

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Der Münchner klagte und verlor zunächst vor dem Verwaltungsgericht. Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) hatte er dagegen in der Berufung Erfolg. Der VGH urteilte, dass Gemeinden nicht befugt seien, den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen allein wegen zu erwartender unerwünschter Meinungsäußerungen zu verwehren. Der Verweis auf eine aus Sicht der Stadt bestehende antisemitische Grundtendenz bei BDS genüge dafür nicht. Gerechtfertigt könne dies nur sein, wenn die Kampagne die „Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung“ gefährde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Auffassung nach der von der Stadt beantragten Revisionsverhandlung jetzt im Wesentlichen bestätigt. Der Saal sei gemeinderechtlich gerade auch für kommunalpolitische Diskussionsveranstaltungen gewidmet gewesen. Diese Widmung werde mit dem Anti-BDS-Beschluss unzulässig beschränkt, weshalb die Maßnahme insgesamt rechtswidrig und unwirksam sei.

Aggressionen und Rechtsbruch sind nicht zu erwarten, so das Gericht

Der Stadtratsbeschluss ist aus Sicht der Richterinnen und Richter schon kein Rechtssatz und treffe keine in diesem Sinne allgemeine Regelung, die möglicherweise geeignet wäre, um das Recht auf Meinungsfreiheit einzuschränken. „Der Beschluss ist nicht meinungsneutral“, hieß es zudem. Gerechtfertigt sei ein solcher Eingriff nur, wenn Meinungsäußerungen „die geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen“, in Gefährdungslagen umschlagen und damit den Übergang zu Aggression und Rechtsbruch markieren. „Nach den Tatsachenfeststellungen des Berufungsurteils ist dies bei der vom Kläger geplanten Veranstaltung nicht zu erwarten.“

Die Frage, ob die BDS-Bewegung antisemitisch ist, ließ das Gericht wie erwartet erneut offen. Anlass für weitere Diskussionen dürfte aber geben, dass sich das Urteil gegen den BDS-kritischen Beschluss des Bundestags positioniert. Die Frage ist damit aufgeworfen, ob er in seiner aktuellen Form bestehen bleiben soll. Oder ob Gesetze geschaffen werden sollen, die den Ausschluss der Bewegung von der Nutzung öffentlicher Hallen ermöglichen könnten.

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