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Familienpolitik: Die Koalition ist verstimmt

Die hitzige Debatte über Mixas Abkanzelung der CDU-Ministerin Ursula von der Leyen geht weiter. Sie verdeckt derzeit noch, dass es wegen der Familienpolitik in der Koalition kräftig krachen wird.

Berlin - Bischof Walter Mixa gehört zu den eher stillen Kirchenmännern im Lande. In seiner Zweitfunktion als katholischer Militärbischof wirft sich der Augsburger Oberhirte gelegentlich für Soldaten im Auslandseinsatz in die Bresche. Doch seit dem 65-Jährigen angesichts der Berliner Familienpolitik ("kinderfeindlich und ideologisch verblendet") der Kragen platzte, ist er weit über Kirchen- und Bundeswehrkreise hinaus bekannt.

Die Ankündigung von der Leyens, die Zahl der Krippen- und Tagesmutter-Plätze bis 2013 auf etwa 750.000 zu verdreifachen, hat nicht nur Walter Mixa aufgeschreckt. Während der Augsburger Bischof Frauen zu "Gebärmaschinen" herabgestuft sah, die ihre Kinder nach der Niederkunft in staatliche Fürsorge abliefern, gingen auch andere katholische Würdenträger auf Distanz zu Schwarz-Rot. Der als streng konservativ bekannte Kölner Kardinal Joachim Meisner führte die Bibel höchstselbst gegen ein Zuviel an Kinderkrippe ins Feld. Auch der als liberal geltende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, ließ deswegen Unbehagen erkennen.

Familienpolitik im Hier und Jetzt?

Für Politiker aller Couleurs und Konfessionen bietet Mixas Polemik Gelegenheit zu beweisen, dass sie in punkto Familienpolitik im Hier und Jetzt angekommen sind. Kanzlerin Angela Merkel sprang ihrer Parteifreundin von der Leyen ebenso zur Seite wie der CSU-Vorsitz- Kandidat Erwin Huber. Die Familienministerin selbst warnte am Samstag davor, Kindererziehung und Berufstätigkeit von Müttern gegeneinander auszuspielen. Nur wenige Spitzenpolitiker der Partei mit dem C im Namen zeigten Verständnis für Mixas Attacken - überwiegend unter Hinweis auf die DDR mit ihrer staatlich gelenkten Erziehungspolitik.

Sozialdemokraten, FDP, Grüne und Linke geißeln genüsslich den "Kreuzzug" (Grünen-Chefin Claudia Roth) des Bischofs. In der aufgeheizten Stimmungslage sorgte SPD-Chef Kurt Beck am Samstag mit einem Scherz auf Büttenreden-Niveau für Aufregung, weil er Bischof Mixa und einen kastrierten Kater in einen Zusammenhang brachte. Wenn sich der Rauch der Mixa-Debatte erst einmal verzogen hat, dürften indes die familienpolitischen Differenzen in der großen Koalition wieder deutlicher zu Tage treten. Bei Union und SPD ist längst angekommen, dass mehr Geburten, bessere Kindererziehung und auch Berufstätigkeit von Frauen die Zukunftsfähigkeit Deutschlands berühren. Die Wege zum Ziel sind aber unterschiedlich.

Kritik an von der Leyen

Am Sonntag legte die SPD letzte Hand an ihr Finanzierungskonzept für mehr Kinderbetreuung. Die Sozialdemokraten beklagen, dass von der Leyen bislang konkrete Hinweise schuldig geblieben sei, wie ihre Konzepte bezahlt werden können. Die SPD will das Geld für künftige Kindergeld-Erhöhungen lieber in Betreuung investieren. Dafür sollen in den nächsten Jahren mehrere Milliarden Euro in den Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen umgeschichtet sowie das Ehegattensplitting zu Lasten kinderloser Ehepaare umgestaltet werden.

"Ungerecht", monierte die Familienministerin am Sonntag im dpa- Gespräch. Einerseits würden "ältere Ehepaare, die steuertechnisch als kinderlos gelten", im Nachhinein bestraft. Andererseits treffe ein Verzicht der Politik auf eine Kindergeld-Erhöhung um 7 Euro pro Monat "Eltern mit älteren Schulkindern, die nichts mehr von der Betreuung unter Dreijähriger haben", sagte von der Leyen. "Von 84 Euro im Jahr kann so manches Schulheft und so mancher Buntstift gekauft werden."

In Kinderbetreuung soll weiter investiert werden

Weitgehend einig sind sich Union und SPD darin, dass das durch abnehmende Geburtenzahlen in Deutschland frei werdende Geld in die Kinderbetreuung investiert werden sollte. "Wir werden möglicherweise eine gemeinsame Konzeption entwickeln. Das hängt davon ab, wie weit Frau von der Leyen die Zustimmung ihrer eigenen Fraktion findet und wie seriös sie die Finanzierung ihrer Vorstellungen unterlegt", sagte SPD-Fraktionschef Peter Struck der dpa. Dass am Ende der Debatte eine Ermutigung junger Menschen zum Kinderkriegen stehen muss, machte die Kanzlerin klar: "Wir sollten uns darüber klar werden, welchen Erfahrungsschatz wir in einer Singlegesellschaft verlieren würden." (Von Werner Herpell, dpa)

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