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Kolumbien: Die schmutzigen Freunde

Kolumbiens Armee kooperiert mit rechten Paramilitärs – mit Wissen der USA. Das zeigen jüngst veröffentlichte Dokumente von US-Behörden.

Von Michael Schmidt

Wer es wissen wollte, wusste es längst. Wieder und wieder haben Menschenrechtler über die engen Bande zwischen Kolumbiens staatlichen Streitkräften und den Todesschwadronen rechter Paramilitärs berichtet. Das nimmt jedoch der Empörung keineswegs die Spitze, die jetzt aufkommt, da US-Geheimdienstberichte zeigen: Auch die CIA und US-Diplomaten wollten wissen – und sie wussten seit 1994 Bescheid über den von Armee und Regierung stets geleugneten Skandal.

Und zwar nicht nur über die heikle Kooperation des massiv von den USA unterstützten kolumbianischen Militärs mit den Paramilitärs, deren Dachverband AUC die Europäische Union auf ihrer Liste der Terrorgruppen führt. Sondern auch über die Verbindungen der Paramilitärs zur Drogenmafia. Und über die Praxis außergerichtlicher Hinrichtungen zur beschleunigten Beförderung innerhalb der Streitkräfte. Das zeigen vom „National Security Archive der Universität George Washington" (NSA) jetzt öffentlich gemachte, jüngst freigegebene Dokumente von US-Behörden.

So heißt es beispielsweise in einem CIA-Bericht von 1994, die kolumbianischen Sicherheitskräfte setzten im Rahmen ihrer Aufstandsbekämpfung auf den Einsatz von Todesschwadronen. Und weiter: Das Militär ermorde linksgerichtete Zivilisten in Guerilla-dominierten Regionen. Es arbeite bei Angriffen auf mutmaßliche Guerilla-Sympathisanten mit ins Drogengeschäft verwickelten paramilitärischen Gruppen zusammen. Und es bringe gefangene Kämpfer um. In einem Schreiben des damaligen US-Botschafters in Bogotá, Myles Frechette, wird darüber hinaus die „body count“- Mentalität karrierebewusster Militärangehöriger scharf kritisiert: „Offiziere, die keine aggressive Guerilla-Bekämpfung (bei der die meisten Menschenrechtsverletzungen durch das Militär vorkommen) vorweisen können, haben Nachteile, wenn Beförderungen anstehen“, heißt es darin. In einem zehn Jahre alten CIA-Bericht wird diese Praxis durch die Aussagen eines Offiziers der kolumbianischen Armee belegt, der ein regelrechtes „Body Count Syndrome“ in den Streitkräften ausmachte. Je mehr entführte, erschossene, in Militäruniformen gesteckte und als Guerilleros Gefallene einer vorweisen könne, desto größer die Chance, Karriere zu machen. „Diese Denkart fördert Menschenrechtsverletzungen bei Soldaten, die versuchen, ihre Quote zu erfüllen, um ihre Vorgesetzten zu beeindrucken“, teilte der Offizier mit.

Das kolumbianische Militär beginne offenbar gerade, wie NSA-Lateinamerikaexperte Michael Evans dem Tagesspiegel sagte, sich über das eigene Tun Rechenschaft abzulegen. Im November 2008 ließ es einen Report erstellen. 30 Militärs seien daraufhin in den Ruhestand versetzt worden, darunter drei Generäle. Anfang November sei der Oberste Kommandant der Streitkräfte, General Mario Montoya, von seinem Posten zurückgetreten. Er galt als Anhänger des Body Count.

Doch reicht das?, fragt Evans. Warum trat General Montoya zurück? Wird gegen ihn ermittelt werden? Warum wurde der Report noch nicht veröffentlicht? Wird man die Verantwortlichen wirklich zur Verantwortung ziehen? Für Evans ist bei aller Unklarheit so viel klar: Die veröffentlichten US-Dokumente und der noch geheime Report der kolumbianischen Armee „werfen wichtige Fragen zur historischen und rechtlichen Verantwortung des Militärs auf“. Und mehr noch: Es stelle sich auch die Frage nach der Haltung des großen Bruders im Norden. Die USA hätten wohl als Schwäche des kolumbianischen Militärs erkannt, dass es mit Todesschwadronen und Drogenhändlern zusammenarbeitete, sagt Evans. Sie seien aber „nicht bereit gewesen, einen strategischen Alliierten wegen Menschenrechtsfragen vor den Kopf zu stoßen“.

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