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Politik: Die Spur führt nach Moskau

Im Fall Litwinenko spielen Ex-KGB-Leute eine Schlüsselrolle – einer wird des Mordes verdächtigt

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Es klang wie eine direkte Botschaft nach Moskau, als Sir Ken Macdonald, Staatsanwalt der britischen Krone, sein offizielles Statement zum Fall Litwinenko abgab: Es sei „eindeutig im öffentlichen Interesse“, den Tatverdächtigen Andrej Lugowoj anzuklagen und Russland um die baldige Auslieferung seines Staatsbürgers zu ersuchen. „Er ist des Mordes angeklagt“, sagte Macdonald. „Des Mordes durch vorsätzliche Vergiftung, eines außerordentlich schwerwiegenden Verbrechens.“ Dafür müsse ihm in London der Prozess gemacht werden. In seinen Worten schwang mit: Wir lassen uns hier nicht bedrohen, unsere Justiz ist unabhängig, diplomatische Verwicklungen spielen für uns keine Rolle.

Macdonalds standhafter Auftritt war auch eine Antwort auf Spekulationen, nach denen das Außenministerium versucht haben soll, aus diplomatischen Gründen Einfluss auf die Strafverfolgung im Fall Litwinenko zu nehmen. Die Boulevardzeitung „News of the World“ hatte ohne Angaben von Quellen berichtet, Außenministerin Margaret Beckett habe sich gegen eine Anklage ausgesprochen. Das Außenministerium wies den Bericht als „absoluten Unsinn“ zurück. Auch die Staatsanwaltschaft dementierte jeden Versuch politischer Einflussnahme.

Der frühere KGB-Spion Alexander Litwinenko hatte sich am 1. November vergangenen Jahres im Londoner Millennium-Hotel mit Lugowoj sowie Dimitri Kowtun getroffen. Noch am selben Tag klagte Litwinenko über Unwohlsein, drei Wochen später starb er. Todesursache war eine radioaktive Vergiftung mit Polonium 210. Die drei Männer hatten eines gemeinsam: Alle waren offenbar einmal für den sowjetischen Geheimdienst KGB tätig. Lugowoj leitete die für die Sicherheit des Kremls zuständige KGB-Einheit. Auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion arbeitete er als Personenschützer im Kreml. Und noch etwas haben Litwinenko und Lugowoj gemeinsam: Beide gehörten zeitweise dem Umfeld des russischen Oligarchen Boris Beresowskij an. Lugowoj beendete 1996 seine Arbeit für den russischen Staat und wurde Chef des Sicherheitsdienstes eines Fernsehsenders, der Beresowskij gehörte. Litwinenko selbst, der im Jahr 2000 politisches Asyl in Großbritannien erhielt und später auch britischer Staatsbürger wurde, gehörte in London dem engsten Kreis um den ebenfalls ins Exil gegangenen Oligarchen Beresowskij an. Von dort aus kritisierten beide immer wieder die Politik von Präsident Wladimir Putin. Auf dem Sterbebett beschuldigte Litwinenko Putin, für seine Ermordung verantwortlich zu sein. Als sich die Ex-KGB-Männer in London trafen, verdienten sie ihr Geld längst als Geschäftsleute. Lugowoj und Kowtun betreiben eine Sicherheitsfirma in der Nähe von Moskau und wollten nach eigenen Angaben über Litwinenko in Kontakt zu britischen Firmen treten.

Lugowoj galt von Anfang an als einer der Hauptverdächtigen. Die Polizei fand Spuren von Radioaktivität sowohl in seinem Londoner Hotel als auch in dem Privatflugzeug, mit dem er gereist war. Lugowoj beteuerte mehrfach seine Unschuld und stellte sich selbst als Opfer dar. „Jemand versucht, mich hereinzulegen“, sagte er zu ersten Vorwürfen.

Gegen Kowtun ermittelt die Staatsanwaltschaft in Hamburg, wo er während eines kurzen Zwischenstopps Spuren von Polonium hinterlassen hatte. Allerdings wird gegen ihn nicht wegen des Mordes an Litwinenko ermittelt, sondern nur wegen unerlaubten Umgangs mit radioaktiven Stoffen.

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