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Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin. Sie war unter anderem Chefredakteurin von "impulse".

© Mike Wolff

Die Union und die Flüchtlingsfrage: National oder christlich?

CDU und CSU dachten, sie könnten sich durchmogeln. Dann kam die Flüchtlingskrise. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Die CDU hat sich einmal für eine konservative Partei gehalten, die den Sprung ins 21. Jahrhundert ganz gut bewältigt habe. Ein Jahr nach der Entscheidung, die Grenzen für syrische Flüchtlinge zu öffnen, macht sie sich diesbezüglich keine Illusionen mehr. Als Konservative sind CDU und CSU gescheitert. Der Familienkrach um die Flüchtlinge offenbart die ganze inhaltliche Leere der Schwesterparteien.

Die Flüchtlingsfrage zerreißt die Unionsparteien

Konservativ zu sein, war bis zum vergangenen Jahr eine Zuschreibung, mit der man in der Politik nach Belieben spielen konnte. In der Union gefiel man sich in der Ansicht, Konservatismus brauche keine Inhalte mehr, sondern nur Haltung: Die Art, wie er dem Neuen entgegentrete – skeptisch, aber im Prinzip wohlwollend –, mache den Konservativen der Moderne aus. Weil der Konservative den Status quo zur Messlatte seiner Entscheidungen mache, seien große politische Entwürfe gar nicht notwendig. Was für ein Irrtum. Die Flüchtlingsfrage zerreißt die Unionsparteien, weil sie sich inhaltlich nicht mehr entscheiden können. Die „Patrioten“ unter den Konservativen liegen seit dem Spätsommer des vergangenen Jahres befinden sich in einem tiefen Konflikt mit den Vertretern des eigentlich schon verblassten C. Dieser Konflikt lässt sich nicht durch eine vermeintlich gemeinsame konservative Haltung lösen, sondern, wenn überhaupt, nur durch einen ernsten innerparteilichen Diskurs lösen. Die Christen in der CDU müssten für ihre Position klar antreten: dass man Flüchtlinge aus rein humanitären Gründen aufnehmen will. Dafür müssten sie sich aber von dem schwindlerischen Narrativ trennen, das den Nutzen der Flüchtlinge für Arbeitsmarkt und Demografie in den allerrosigsten Farben gemalt hatte. Die Nationalstaatler in der Union dagegen müssten deutlich sagen, dass und wie sie die Grenzen schützen, Asyl und Flüchtlingsstatus gewähren und abgelehnte Bewerber behandeln wollen. Sie müssten die damit verbundenen moralischen Dilemmata bewusst auf sich nehmen.

Es gibt keinen eleganten Ausweg

Beide Wege brauchen inhaltliche Festlegungen. Es gibt keinen eleganten Ausweg. Nicht nur, weil im kommenden Jahr gewählt wird und die Union am rechten Rand Konkurrenz bekommen hat. Sondern auch, weil man als Konservativer im 21. Jahrhundert möglicherweise gut beraten ist, Alltagsfragen auf Sicht zu entscheiden. Für Grundsatzfragen der Humanität, der Staatlichkeit und der eigenen Grenzen gilt das aber nicht.

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