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Bischof Markus Dröge.

© AFP

Die Weihnachtsbotschaft und der Terror: "Friede auf Erden" gilt mehr denn je

Der Terroranschlag von Berlin stellt auch die Weihnachtsbotschaft in Frage: "Friede auf Erden“ klingt postfaktischer denn je – ist aber das ganze Gegenteil. Ein Aufruf zur Zukunftshoffnung - trotz allem.

Der Terror im Weihnachtsmarkt hat die Welt nicht verändert. Aber jetzt ist bei uns angekommen, was andernorts längst ein Faktum ist. Extremistische Gewalttaten bringen Unschuldigen den Tod, zerstören Gewissheiten, zersetzen Vertrauen, lassen Nächstenliebe wie hilflose Schwäche erscheinen. Da bleibt auch die Weihnachtsbotschaft nicht verschont. „Friede auf Erden“ – macht es noch Sinn, daran zu glauben? Was kommt da eigentlich auf uns zu?
Für das, was auf uns zukommt, hat Jürgen Moltmann, einer der international angesehensten evangelischen Theologen der vergangenen Jahrzehnte, zwei Formen identifiziert: „Futur“ und „Advent“. Futur, das sind unsere Vorausberechnungen der Zukunft, unsere Vorhersagen, unsere hochgerechnete Erfahrung, mit der wir die Zukunft planen. Wir können heute statistisch voraussagen, wie viele Menschen in 30 Jahren auf der Erde leben, wie viele Fachkräfte uns in 20 Jahren fehlen und wie die weltweiten Migrationsbewegungen sich auswirken werden. Mancher droht an seinen eigenen pessimistischen Prognosen zu verzweifeln und flieht dann lieber ins Postfaktische oder wählt die populistische Reduktion der Komplexität. Die andere Art der Zukunft heißt Advent. Das ist die Zukunft, die wir nicht planen können. Die Zukunft, die sich ereignet, die uns geschenkt wird. Veränderungen, mit denen wir niemals gerechnet hätten. Lebendige Kräfte, die wir schon für tot gehalten hatten.

Der Weg ist da, es gilt, sich auf ihn einzulassen

Weihnachten gibt es nicht ohne Advent. Die Friedensbotschaft vom Stall in Bethlehem erschließt sich nur dem, der eine adventliche Haltung eingeübt hat. Hirten und Könige treffen sich im Stall. Menschen aus Bethlehem und einige von weit her. Sozial ausgegrenzte Hirten und die Weisen mit ihren kostbaren Geschenken stehen nebeneinander. Das gemeinsame Staunen über das Kind verbindet sie. Von diesem neugeborenen Wesen geht eine Kraft aus, die schier unermesslich scheint, so dass Menschen sie göttlich nennen, obwohl dieses Kind selbst schutzlos in der Krippe liegt. In ihm scheint etwas auf von dem unverbrüchlichen Recht eines jeden Menschen auf ein würdiges Leben, egal wo er geboren wurde, egal in welchen Verhältnissen er lebt. Gott wird selbst Mensch, damit wir die Zukunftshoffnung erkennen, die in jedem Menschenleben angelegt ist. Die Weihnachtsbotschaft verheißt Menschlichkeit für alle. Diese Zukunft ist noch nicht da. Wahrhaftig nicht. Aber sie ist nicht unmöglich, wenn wir sie aktiv erwarten und mit allen Kräften anstreben. Dann kann sie eintreffen, auch gegen den aktuellen Augenschein. Das Weihnachtsfest ist nicht das Kulturprogramm des christlichen Abendlandes, gefeiert um Fakten vergessen zu lassen. Wir brauchen sowohl das eigene, faktenbasierte Planen der Zukunft als auch das Vertrauen in den Advent Gottes. Deshalb konfrontiert die Weihnachtsbotschaft unsere persönlichen Hochrechnungen mit Gottes Verheißungen. Sie ist nicht postfaktisch – sie ist präfaktisch. Sie mutet uns zu, uns auf einen Weg einzulassen, der erst ansatzweise faktenbasiert ist. Aber sie verspricht uns: Wenn wir uns darauf einlassen, in der Würde jedes einzelnen Menschen einen Abglanz Gottes zu erkennen, dann werden wir ungeahnte Wege des Friedens finden.

- Markus Dröge ist seit November 2009 Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

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