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Tagelang nicht zu erreichen: Das Steuerportal Elster.

© Imago/Jürgen Schwarz

Was lernt man aus der Elster-Panne?: Digitalisierung ist Freiheit - wenn sie funktioniert

Das digitale Universum ist schön. Manchmal aber ist die olle analoge Welt auch nicht schlecht. Zum Beispiel bei der Steuererklärung. Eine Glosse

Eine Glosse von Albert Funk

Große Umbrüche verlaufen selten schmerzlos. Und von einem bestimmten Punkt an ist auch Gigantismus im Spiel. Die Digitalisierung ist ein solcher Umbruch, wir sind mittendrin, und das Gigantische hat alle erfasst. Die drittkleinste (oder viertgrößte) Fraktion im Bundestag zum Beispiel kann gar nicht genug bekommen von der Digitalisierung, selbst wenn’s an die Freiheit geht. Sie will mit der Digitalisierung wachsen.

Und damit sind wir beim Elster-Portal. Das hat die Aufgabe, möglichst allen Deutschen den digitalen Weg zur Steuererklärung zu eröffnen. Ein echter Menschheitsfortschritt. Wenn‘s funktioniert. Tut es das nicht, dann schauen gigantisch viele in die Röhre, wie seit Donnerstag voriger Woche bis in den Montagabend hinein.

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Mutmaßlich Millionen von Steuerpflichtigen – Grundsteueranmeldung, Umsatzsteuervoranmeldung, Einkommensteuererklärung – mussten erkennen, dass das Gigantenprojekt der deutschen Finanzverwaltung erst ächzte, dann stöhnte und am Ende komplett offline war. Es lag offenbar an irgendeinem Bauteil, das irgendwie die Server steuert.

Wertvolle Lebenszeit

Man kann nun auf die Verwaltung schimpfen und ihr Versagen vorwerfen. Der Staat eben, auch so ein Gigant, gegen den man sich nicht wehren kann. Der durchdigitalisierte Staat aber ist, nicht nur für die drittkleineste Fraktion im Bundestag, ein nicht mehr hinterfragtes Ziel. Wie einst von der Atomkraft geht von der Digitalisierung nur Gutes aus. Da müssen eben Opfer gebracht werden.

In den vergangenen Tagen von Millionen Steuerpflichtigen, denen Elster und das versagende Bauteil wertvolle Lebenszeit gekostet hat, durch Warten und durch Ärgern. Nicht wenige von ihnen saßen nur deshalb vor der fluglahmen Elster, weil sie gesetzlich gezwungen sind, ihre Steuererklärung digital abzugeben. Arbeitnehmer zum Beispiel, die sich freiberuflich nebenher ein bisschen dazuverdienen.

Eine Hybridphase

Man sei in einer Hybridphase, sagt ein Kundiger aus der Finanzszene. Schon raus aus der reinen Papierverwaltung, noch nicht angekommen in der reinen Digitalverwaltung. Aber will man da wirklich hin? Das analoge Ausfüllen von Papierformularen samt Absenden per Post oder Selbereinwerfen beim Finanzamt – ist das, für beide Seiten, Steuerpflichtige und Finanzamt, so eine Zumutung? Papier ist geduldig, lautet ein alter Spruch. Aber es funktioniert. Das Digitale ist ungeduldig.  

Den Digitalaffinen sei ihre neue Welt gegönnt. Doch warum verstetigen wir die Hybridphase nicht? Die einen online, die anderen offline. Wie es ihnen beliebt. Das wäre Freiheit. Da kann doch selbst die viertgrößte Fraktion im Bundestag nichts dagegen haben. Und da einer der Ihren das zuständige Ministerium führt, ist sie auch nicht ganz ohne Einfluss.

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