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Hand drauf! Matteo Salvini (r.) und Jörg Meuthen (AfD) in Mailand.

© Alessandro Garofalo/Reuters

Rechtsruck in Italien: Drohen römische Verhältnisse in Berlin?

Die einstigen Achsenmächte verbindet eine faschistische Vergangenheit. Italien driftet wieder nach rechts. Folgt Deutschland bald? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Peter von Becker

Das herausragende politische Jubiläum zu Beginn des Jahres war die Erinnerung an die verfassungsgebende Versammlung der ersten deutschen Demokratie. Vor 100 Jahren hatte sie sich im Weimarer Nationaltheater konstituiert. Was in Deutschland weniger bekannt ist: Fast exakt zur gleichen Zeit wurde 1919 auch der politische Faschismus gegründet. Das geschah in Italien, unter Mitwirkung des so national wie zunächst sozialistisch orientierten Journalisten und Dichters Benito Mussolini. Alsbald wurde er zum Duce, zum Führer der Bewegung.

Als Todestag der Weimarer Republik gilt der 30. Januar 1933. Was allerdings auch nicht so bekannt ist: Die symbolische Totenglocke der Demokratie läutete bereits ein Jahr zuvor. Just am 30. Januar 1932 und gleichfalls im Weimar Nationaltheater hatte da ein Drama seine deutsche Premiere, das von einem gewesenen Diktator handelte und dessen Autor ein amtierender Diktator war, während in der Ehrenloge der kommende Diktator saß. Auf der Bühne fand das Napoleon-Stück „Hundert Tage“ statt, sein Autor hieß Mussolini, der Premierengast Adolf Hitler. Man kann das gleichsam als Vorspiel der historisch folgenden „Achse Berlin – Rom“ begreifen.

Konferenz der Rechten

Die jüngste Verbindung zwischen den Rechtsparteien Italiens, Deutschlands und Österreichs hat nun der italienische Vizepremier und Innenminister Matteo Salvini gestiftet. In seiner Heimatstadt Mailand, in der Salvinis eigene Lega residiert und wo sich vor einem Jahrhundert die von ihm durchaus bewunderten Faschisten gründeten, schart Italiens derzeit populistischster und in Umfragen auch populärster Politiker Gleichgesinnte aus Europa um sich.

Vor den Europawahlen im Mai kommt Salvini dabei die kürzlich gefeierte Liaison mit der AfD zupass. Denn wenn er sich am 18. Mai wie geplant bei einer Großkundgebung vor dem Mailänder Dom mit Frankreichs rechter Ikone Marine Le Pen und dem AfD-Europa-Spitzenkandidaten Jörg Meuthen präsentiert, soll das zum Doppelseitenschlag gegen seine Lieblingsfeinde Macron und Merkel werden.

Tatsächlich stänkert Italiens medienpräsenter Innen- und Überminister nahezu täglich gegen die Regierungen in Paris und Berlin. Was die Deutschen betrifft, baut Salvini auf die schon zu Berlusconi-Zeiten gehegten Ressentiments gegenüber der deutschen Finanzpolitik, die via Brüssel dem stolzen Krisenland Italien ein ausländisches Spardiktat auferlege.

Diese von vielen Italienern und ihren Medien geteilte Aversion verbindet Salvini nun mit der brachialen Hetze gegen Migranten. Und wenn gar ein deutsches Rettungsschiff im Mittelmeer Flüchtlinge in Seenot aufnimmt, dann bietet Salvini als nächsten Hafen Hamburg an. Mit Worten, welche die Deutschen und afrikanischen Geflüchteten am liebsten versänken würden.

Eine verwirrende Beziehung

Es ist schade – um die Italiener und die Deutschen. Noch jedes Klischee scheint in diesem mal grimmigen und doch meist innigen Verhältnis zu stimmen. Da ist neben dem ratlosen Kopfschütteln von deutscher Seite auch immer wieder die sehnsüchtige Umarmung. Wir lieben Italien, aber wenn wir euch Italiener nur besser verstünden!

In der soeben aktualisierten Ausgabe von Giovanni di Lorenzos Buch „Erklär mir Italien!“, das er im Gespräch mit seinem von der Mafia und inzwischen (verbal) auch von Salvini verfolgten Freund Roberto Saviano verfasst hat, ergreift beide am Ende eine Art Untergangsstimmung. Im Vergleich zu Trump und den USA gebe es in Italien nach zwei Jahrzehnten Berlusconi und dann dem Niedergang von Matteo Renzis Demokratischer Partei (PD) fast keine funktionierende Opposition mehr, auch nicht in den Medien oder öffentlichen Institutionen.

Unter dem so machtbesessenen Möchtegern-Duce Salvini und seiner verqueren Regierungskoalition mit den immer mehr erlöschenden Fünf-Sternen sei von Nord bis Süd die einzige Folge: „Stück für Stück bricht jetzt alles zusammen.“. Saviano zitiert seinen neapolitanischen Landsmann und Philosophen Aldo Masullo, der zum Ergebnis der letzten italienischen Parlamentswahlen sagte, hier hätten „Leidende und Unleidliche“ gemeinsam ihre Stimme erhoben. Und Roberto Saviano warnt (oder übertreibt) am Ende: „Was jetzt in Italien passiert, blüht eines Tages auch Deutschland.“

Wir indes glauben, Berlin ist nicht Weimar, und wir hoffen, es ist auch nicht Rom. Obwohl zugleich eine zweite Stimme in uns ruft: Das wäre ja noch schöner!

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