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Kugelgasspeicher in Dortmund.

© imago/CHROMORANGE/IMAGO/Martin Schroeder

Update

„Einigung lässt viele Fragen offen“: Bundesregierung verständigt sich auf Kraftwerksstrategie – Kritik von Umwelthilfe und Union

Deutschland wird den Bau neuer Gaskraftwerke subventionieren – darauf hat sich die Ampel-Regierung nun geeinigt. Allerdings sollen diese in Zukunft klimaneutral werden.

Nach langen Verhandlungen hat sich die Bundesregierung auf einen Kompromiss für den Bau neuer Kraftwerke verständigt.

Insgesamt solle zunächst die Errichtung von neuen Gaskraftwerken mit bis zu zehn Gigawatt Leistung ausgeschrieben werden, teilten Kanzleramt, Wirtschafts- und Finanzministerium am Montag mit. Die Förderungen sollen aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden, einem Sondertopf des Bundes.

Die Kraftwerke sollen in den 2030er Jahren komplett auf Wasserstoff umgestellt werden. Planung und Genehmigung der Anlagen soll beschleunigt und die Pläne mit der EU-Kommission abgestimmt werden. Wie es aus Koalitionskreisen hieß, liegen die Kosten bei ungefähr 16 Milliarden Euro für die nächsten 20 Jahre

Laut Mitteilung wurde vereinbart, dass Konzepte für einen sogenannten Kapazitätsmechanismus erarbeitet werden sollen. Eine politische Einigung darüber solle innerhalb der Bundesregierung bis spätestens Sommer 2024 erzielt werden. Über einen solchen Mechanismus könnten Betreiber in einigen Jahren dafür honoriert werden, dass sie Kraftwerkskapazitäten vorhalten.

Weiter hieß es, die Planungs- und Genehmigungsverfahren für die in der Kraftwerksstrategie enthaltenen Kraftwerke sollten substanziell beschleunigt werden. Die gefundene Einigung zur Kraftwerksstrategie werde mit der EU-Kommission in Brüssel beraten.

Kraftwerke sollen Schwankungen bei Erneuerbaren ausgleichen

Die Regierung hatte über Monate um eine Verständigung gerungen. Im Kern geht es bei der geplanten Strategie um den Bau von Gaskraftwerken, die die wachsende, aber schwankende Einspeisung von Wind- und Solarstrom ausgleichen sollen. Energieunternehmen scheuen aber bisher Investitionen, weil sich die neuen Kraftwerke nicht rechnen.

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Nun soll es schnell gehen. Laut einer Vorabmeldung des „Spiegel“ sollen die Ausschreibungen zur Förderung neuer wasserstofffähiger Gaskraftwerke in den kommenden drei bis vier Monaten ausgearbeitet werden. Die erste Auktion mit 2,5 Gigawatt Kapazität soll im Sommer stattfinden, drei weitere Auktionen mit derselben Höhe an Leistung bis spätestens zum Herbst 2025.

Die Energiebranche wartet seit langem auf eine Strategie zum Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke bis 2030. Bis dahin sollen erneuerbare Anlagen massiv ausgebaut werden. Das Ziel der Bundesregierung lautet: 80 Prozent des Stroms sollen 2030 aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Derzeit ist es etwas mehr als die Hälfte. 

Wir lösen mit unseren Entscheidungen auch das klassische Henne-Ei-Problem.

Robert Habeck, Wirtschaftsminister

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte sich für eine staatliche Förderung ausgesprochen, die sich im Milliardenbereich bewegen könnte. FDP-Politiker hatten auf die hohen Kosten einer Förderung verwiesen und „Technologieoffenheit“ gefordert.

Die Ampelkoalition hatte sich darauf verständigt, den Kohleausstieg „idealerweise“ auf 2030 vorzuziehen, um den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids zu verhindern. Bislang ist ein um acht Jahre vorgezogener Ausstieg aber nur im Rheinischen Revier beschlossen. In den Revieren in Ostdeutschland ist er umstritten. Neue Gaskraftwerke könnten vor allem Kohlekraftwerke ersetzen.

Habeck bezeichnete die Einigung auf eine Kraftwerkstrategie als wichtigen Baustein auf dem Weg zum klimaneutralen Stromsystem. „Wir setzen die Rahmenbedingungen für den Um- und Zubau klimaneutraler Kraftwerke, während fossile Kraftwerke zunehmend aus dem Markt gehen. Damit machen wir unser Stromsystem fit für die Zeit der Erneuerbaren und sichern den vorgezogenen Kohleausstieg ab“, sagte Habeck am Montag der Deutschen Presse-Agentur.

Grünen-Chefin Lang sieht „wegweisende“ Strategie

„Wir lösen mit unseren Entscheidungen auch das klassische Henne-Ei-Problem: Für ein klimaneutrales Stromsystem braucht es Wasserstoff, Leitungen und wasserstofffähige Kraftwerke - aber wer fängt damit an?“, so Habeck. Deshalb bringe man die Dinge gleichzeitig auf den Weg: Man baue ein Wasserstoffkernnetz, rege den Bau wasserstofffähiger Kraftwerke an und gebe Planungssicherheit. 

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang würdigte die Strategie als „wegweisend“. Damit schaffe die Ampel-Koalition die technischen Voraussetzungen für den bis 2030 angepeilten Ausstieg aus der Kohleverstromung, sagte Lang am Montag. „Die Frage des Ausstiegs aus der Kohle (...) entscheidet sich mit dem Einstieg in Wasserstoff und erneuerbare Energien.“ 

FDP begrüßt Einigung – und Kostendeckel

FDP-Energiepolitiker haben die Einigung auf eine Kraftwerksstrategie innerhalb der Bundesregierung begrüßt. FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler sagte am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: „Mit der Kraftwerksstrategie als Übergang in einen Kapazitätsmechanismus stellt die Koalition die Weichen für ein sicheres, sauberes und kostengünstiges Stromsystem der Zukunft.“ Damit sei sichergestellt, dass zügig neue Gaskraftwerke finanziert werden könnten, ohne dass die Kosten dafür durch die Decke schössen.

Die FDP hatte sich bei den Verhandlungen vor allem auf eine Begrenzung der Kosten für den Staat eingesetzt. Köhler sagte, der geplante Verzicht auf teure „Leuchtturmprojekte“ wie reine Wasserstoffkraftwerke sei aus Kostengründen sinnvoll.

Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sagte, der vereinbarte Kapazitätsmarkt garantiere niedrige Kosten und Technologieoffenheit. „Das stärkt die Versorgungssicherheit in unserem Stromsystem und ermöglicht es, einen bunten Strauß an klimafreundlichen Kapazitäten zu nutzen. Von der Wasserkraft über die Biomasse und CO₂-Speicherung bei konventionellen Kraftwerken bis hin zu Wasserstoff und Geothermie ist vieles möglich.“

Deutsche Umwelthilfe sieht große Lücken

Die Deutsche Umwelthilfe sieht große Lücken in der Kraftwerkstrategie. „Diese Einigung lässt viele Fragen offen“, sagte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“ laut einer Vorabmeldung. Vor allem Kosten und Bezahlung seien offen.

Unklar sei auch, ob bei den vier Gaskraftwerken, die zeitnah ausgeschrieben werden sollen, nur der Betrieb oder auch der Bau subventioniert werde. Zudem klaffe eine Lücke zwischen 2024 und 2028, wo dann der Kapazitätsmechanismus greifen soll. „Soll alles, was über die ersten vier Kraftwerke hinaus nötig ist, dann über den Kapazitätsmechanismus gefördert werden? Was bisher bekannt ist, ist sehr vage“, kritisierte Müller-Kraenner.

Wichtig sei aus Sicht der Umwelthilfe, dass nicht ausschließlich Gaskraftwerke gefördert würden. „Es geht um steuerbare Leistung, das sollte man technologieoffen denken“, sagte Müller-Kraenner weiter. Großbatteriespeicher zum Beispiel könnten einen großen Beitrag leisten. Eine vollständige Umstellung der Gaskraftwerke auf den Betrieb Wasserstoff bis 2040 sei spät, aber nicht zu spät. „Wichtig ist aber, dass dieser Wasserstoff dann grün ist“, fordert DUH-Chef. „Das muss garantiert sein, wenn man wirklich klimaneutral werden will.“

Auch die Union sieht noch viele offene Fragen. Der energiepolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Andreas Jung, sagte am Montag, es bleibe bei Ankündigungen, es gebe mehr Fragen als Antworten und damit noch immer keine Klarheit für die Investoren. „Die Hängepartie der Ampel gefährdet Klimaziele, Versorgungssicherheit und den Wirtschaftsstandort Deutschland. Zum Ausbau der erneuerbaren Energien brauchen wir parallel neue Gaskraftwerke, die dann baldmöglichst klimaneutral betrieben werden können.“

Die zentrale Antwort bleibe die Ampel-Koalition schuldig: Die Finanzierung der neuen Kapazitäten bleibe unklar, kritisierte der CDU-Politiker. Keine Klarheit gebe es auch weiter zur Regionalkomponente. „Wir benötigen Erzeugungskapazitäten auch bei den starken Industriezentren im Süden.“ (Reuters, AFP, dpa, Tsp)

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