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Politik: Edmund Stoiber hält sich in seiner Rede betont zurück - nur zum Thema Europa haut er auf die Pauke

Keine einfache Aufgabe für Edmund Stoiber. Da halten ihn nun viele für einen möglichen Kanzlerkandidaten der Union im Jahr 2002, und einige sogar für den wahrscheinlichen.

Keine einfache Aufgabe für Edmund Stoiber. Da halten ihn nun viele für einen möglichen Kanzlerkandidaten der Union im Jahr 2002, und einige sogar für den wahrscheinlichen. Und nun steht er da vor den 1000 Delegierten der CDU, denn voll ist die Grugahalle in Essen, als der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident sein einstündiges Grußwort hält. Wahrscheinlich würde er gerne so reden wie im April vor einem Jahr auf dem CDU-Parteitag in Erfurt. Als er sich danebenbenommen hat. Als er, nur als Vorprogramm von Wolfgang Schäuble vorgesehen, den damaligen CDU-Vorsitzenden mit einer fulminanten Rede gegen Rot-Grün aschfahl werden ließ und die CDU-Delegierten im Saal zu Jubelstürmen hinriss. Der informelle Vorsitzende der Union hatte gesprochen. Jetzt in Essen aber geht das nicht. Da muss er klein tun, muss Selbstverleugnung üben. Schließlich ist Angela Merkel gerade erst gewählt. Schließlich ist Kanzlerkandidatenwettkampf noch nicht angesagt.

"Stoiber weiß, dass er hier nicht die Nummer-Eins-Rede halten kann", heißt es aus der CSU. Keine einfache Aufgabe für einen, der sich gerne in Rausch und Rage redet und Säle mitreißen will. Pendelnd zwischen Väterlichkeit, die ihm nicht steht, und Kollegialität, die ihm nicht passt, beginnt er seine Verneigungsadresse an die neue CDU-Chefin. Von "beeindruckender Rede" spricht Stoiber, zu Merkel gewandt. Ein "phantastisches Ergebnis" habe Merkel erreicht, "das nicht einmal CSU-Vorsitzende immer leicht erreichen". Glaubwürdigkeit, Durchsetzungskraft, Mut, Geradlinigkeit lobt Stoiber an ihr. Als Geschenk gibt es Symbolisches: einen roten Rucksack für den langen Marsch, den Merkel angekündigt hat, rote Boxhandschuhe für den politischen Kampf, einen weiß-blauen Regenschirm als Schutz gegen Wind und Wetter, einen Schal vom FC Bayern. Und einen Maßkrug, damit die Mecklenburgerin nicht vergesse, dass die "Lufthoheit über den Stammtischen" brauche, wer über 50 Prozent in Bayern und über 40 im Bund erreichen wolle.

Und dann die Kandidatenfrage. Sehr indirekt. "Wir werden uns von niemandem auseinander dividieren lassen", sagt Stoiber gedehnt. Soll heißen: Merkel kommt in Frage. Stoibers Berliner Statthalter, Landesgruppenchef Michael Glos, hat das am Dienstag ausgesprochen. Soll aber auch heißen: Stoiber verzichtet auf den Anspruch nicht. Die Frage müsse erst Ende 2001 entschieden werden, sagt man in der CSU. Alle Versuche, CDU und CSU gegeneinander auszuspielen, würden scheitern, betont Stoiber. Er sieht es sogar als geboten an, seinen Dank an Schäuble, den die CSU lange Zeit nicht goutierte, in verhältnismäßig herzliche Worte zu kleiden. Von "gewachsener persönlicher Freundschaft" ist gar die Rede.

So viel Miteinander war selten zwischen den Schwesterparteien in den letzten Jahren. Und selten war so viel Mitte in Stoibers Reden. "Er will nicht nur der sein, der den rechten Rand einbindet", lautet die erklärende Hilfestellung aus der CSU. Stoiber will jetzt Mitte sein. Dutzende Male sticht das Wort aus einer Rede heraus. So redet einer, der dem amtierenden Kanzler diese Mitte gerne streitig machen würde. Aber auch in der Auseinandersetzung mit Rot-Grün: Kaum ein Dissens zu Merkels Rede am Vortag. Die Bundesregierung geht er etwas härter an als die neue CDU-Chefin. Aber, noch bleibt er gedämpft. Ob Green Card (er lehnt sie nicht ab, will aber zusätzlich ein Einwanderungsbegrenzungsgesetz), die Rente (er ist konsensbereit, auch wenn Schröder und Riester "Rentenlügner" sind) oder die Zukunftstechnologien - Stoiber fordert nicht den frenetischen Applaus heraus wie im Vorjahr in Erfurt. Zumindest bis Seite 29 des Redemanuskripts nicht. Dann kommt er zu Europa. Und da fehlt der CDU der Kopf. Kohl ist passé, Schäuble in der zweiten Reihe. Hier findet Stoiber sein Thema. Vielleicht das Kanzlerwahlkampfthema. Vom Redetext weicht er ab, redet völlig frei. Was folgt, sind einige Minuten Rausch und Rage. Sein Konzept von Europa in Kürze und Deutlichkeit. Vielfalt statt Zentralismus. Eine Philippika gegen Schröder und Fischer. Auf Seite 33 findet Stoiber wieder in seinen Text und zurück zur eigentlichen Aufgabe. Am Ende applaudieren die Delegierten zwar auch ihm stehend. Aber sie klatschen nicht so lang und herzlich wie bei Merkel am Vortag. In der CSU weiß man, dass nicht Parteitagsreden allein den Kandidaten machen. Hinter Stoiber steht die geballte Macht einer gut geölten Staatskanzlei, der bayerischen Ministerialbürokratie und einer Staats-Partei. Und was stellt Angela Merkel dagegen? Eine Bundesgeschäftsstelle, ein wenig Zuarbeit aus der Oppositionsfraktion und eine Partei am Neuanfang.

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