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Politik: Egon Krenz ist frei – vorzeitig

Gericht erlässt früherem DDR-Staatschef zweieinhalb Jahre: Er wird keine Straftaten mehr begehen / Kritik der CDU

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Berlin. Der frühere DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz ist zweieinhalb Jahre vor Ablauf seiner Gefängnisstrafe wieder ein freier Mann. Das Berliner Kammergericht entschied am Donnerstag, den Honecker-Nachfolger vorzeitig aus dem Gefängnis zu entlassen. Die Richter sahen keine Gefahr, dass er wieder straffällig wird. Krenz war wegen Totschlags an DDR-Grenzflüchtlingen verurteilt worden. Während Opferverbände und Berliner CDU-Politiker die Entscheidung kritisierten, wurde sie von Spitzenpolitikern der PDS begrüßt. Der frühere Berliner Wirtschaftssenator Gregor Gysi sagte, die vorzeitige Haftentlassung sei richtig und überfällig.

Von Katja Füchsel

und Matthias Meisner

Krenz hatte jahrelang gegen „das Urteil einer Siegerjustiz“ gekämpft, aber ausdrücklich auf ein Gnadengesuch verzichtet. Das Kammergericht setzte die restliche Strafe zur Bewährung aus. „Er hat eine Arbeitsstelle. Die soziale Prognose ist günstig. Wir gehen davon aus, dass er keine Straftaten mehr begehen wird“, erklärte eine Gerichtssprecherin zur Begründung.

Das Landgericht hatte den Antrag auf vorzeitige Entlassung noch abgelehnt, weil „dem die Schwere der Schuld“ entgegenstehe. Das Kammergericht teilte diese Auffassung nicht. Krenz ist Freigänger der Berliner Haftanstalt Plötzensee und tagsüber für eine Fluggesellschaft als Berater tätig. Krenz verließ das Gefängnis noch am frühen Donnerstagabend. Danach sagte er: „Ich habe mich nie als Totschläger geführt, sondern als Verantwortlicher in einem souveränen Staat.“

Die PDS begrüßte die Entscheidung. Der ehemalige Parteichef Gysi sagte: „Ohnehin bin ich der Meinung, dass man falsche Politik als solche aufarbeiten, aber nicht kriminalisieren sollte.“ Im Vergleich zu anderen in der DDR und vor allem in Moskau habe Krenz eine geringere Verantwortung getragen. Die PDS hatte Krenz Anfang 1990 zusammen mit anderen SED-Spitzenfunktionären aus der Partei ausgeschlossen. Jetzt sagte PDS-Chef Lothar Bisky zur Haftentlassung: „Wenn der Rechtsstaat sich ernst nimmt, muss allen gleiches Recht widerfahren. Insofern hätte dieser Schritt durchaus eher gegangen werden können und müssen.“

Für den Berliner CDU-Chef Joachim Zeller hingegen kam die Haftverschonung zu früh: „Durch solche Entschlüsse werden ehemalige DDR-Bürger, die Opfer des Regimes waren, frustriert.“ Die frühere DDR-Bürgerrechtlerin und heutige CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld sagte: „Krenz genießt jetzt die Vorteile des Rechtsstaates, den er immer bekämpfte“. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wollte die Entlassung nicht kommentieren.

Krenz war vom Berliner Landgericht im August 1997 im Zusammenhang mit den Todesschüssen an der innerdeutschen Grenze verurteilt worden. Seine Mitangeklagten, die früheren SED-Politbüromitglieder Günther Kleiber und Günter Schabowski, waren zu drei Jahren Haft verurteilt worden, kamen aber schon nach acht Monaten wieder auf freien Fuß. Sie wurden begnadigt. Bei der Entscheidung wurde Krenz ausdrücklich ausgeklammert. Anträge auf vorzeitige Entlassung hatte das Landgericht zweimal verworfen. Krenz hatte seine Haftstrafe am 13. Januar 2000 angetreten.

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