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Der Ex-Präsident Lula da Silva im Festsaal Kreuzberg.

© imago images/epd/Christian Ditsch

Ehemaliger brasilianischer Präsident in Berlin: Bereitet sich Lula auf ein Duell mit Bolsonaro vor?

Arbeit am Comeback: Nach dem Verlassen des Gefängnisses ist der ehemalige brasilianische Präsident Lula in Berlin und trifft sich mit linken Politikern.

Die Autorin ist Stipendiatin des Internationalen Journalisten-Programms (IJP)

„Ich hätte nie gedacht, dass Brasilien den Rückschlag erleiden würde, den Brasilien erlebt“, sagt Luiz Inácio Lula da Silva im Festsaal Kreuzberg in Berlin vor mehr als 500 Zuschauern. Der ehemalige brasilianische Präsident, der Brasilien zwischen 2003 und 2010 für zwei Amtszeiten regierte, wurde vom Publikum aus Deutschen, Brasilianern, Chilenen und anderen Ausländern gefeiert.

Hier blitzt nochmal sein alter Ruhm auf, Barack Obama nannte den linken Politiker, der es vom Schuhputzer nach ganz oben gebracht hat, mal den beliebtesten Politiker der Welt.

Lula verbrachte 580 Tage im Gefängnis

Aber sein Ruf bekam Kratzer, er fühlt sich zu Unrecht verunglimpft – und er will den rechten Präsidenten Jair Bolsonaro wieder von der Macht verdrängen. Dazu trommelt er auch in Berlin um Unterstützung, der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Nils Annen empfing ihn, ebenso Ex-SPD-Chef Martin Schulz, der ihn schon in Brasilien im Gefängnis besucht hatte.

Lula begrüßt seine Anhänger.

© imago images/epd/Christian Ditsch

Wegen Korruptionsvorwürfen – es ging um ein von einem Baukonzern aufwendig saniertes Apartment am Atlantik - verbrachte Lula 580 Tage im Gefängnis, bevor er im November 2019 freigelassen wurde. Es scheint, dass dies seine Popularität in Deutschland nicht beeinträchtigt: Bis zu eine Stunde warten die Menschen im Regen, um reinzukommen.

Ist die Demokratie in Brasilien in Gefahr?

Der ehemalige Metallarbeiter und brasilianische Gewerkschaftsführer sieht die Demokratie im fünftgrößten Land der Welt in Gefahr. „Ich denke immer noch, dass das brasilianische Volk viel für die Demokratie kämpfen wird“. Trotz der Kritik an Bolsonaro sagt Lula, er glaube nicht, dass die derzeitige Regierung vorzeitig scheitern wird. „Wir müssen vier Jahre mit ihm an der Macht durchmachen.“ Auf die Frage, ob er bei der Wahl 2022 nochmal antritt, antwortet Lula nicht. Er sondiert die Lage.

Lula sprach zur „Verteidigung der Demokratie in Brasilien“.

© imago images/epd/Christian Ditsch

Der deutsche Journalist Peter Steiniger ist einer der Organisatoren der Veranstaltung. „Die Organisatoren sind Brasilianer, Deutsche und andere, die sich für Brasilien, Lateinamerika, Solidarität und gegen den Faschismus engagieren“, erklärt er. „Ich denke, die heutige Veranstaltung ist ein Zeichen dafür, dass die Menschen in Europa und Deutschland mit großer Sorge beobachten, was in Brasilien passiert“, sagt Steiniger mit Blick auf die Unterdrückung von Minderheiten und die Abholzung des Amazonas-Regenwalds – Bolsonaro wird auch der „Tropen-Trump“ genannt.

Der 48-jährige deutsche Architekt Henning Pöpel sagt über Lula im Festsaal Kreuzberg:„Er ist ein sehr charismatischer und freundlicher Typ, und die Leute respektieren ihn dafür, dass er eine Politik für das gesamte brasilianische Volk gemacht hat, nicht nur für eine Elite.“ Millionen Menschen wurden in seiner Regierungszeit mit Programmen wie der Familiensozialhilfe „Bolsa Familia“ aus der Armut geholt – auch dank der damals noch hohen Erdölpreise.

„Schlimmer als Bolsonaro ist nur Trump“

Auf der anderen Seite ist Bolsonaros Image, sagt Henning „Schlimmer ist nur Trump. Jeder hier hält ihn für einen Versager und versteht nicht, warum er gewählt wurde“, kommentiert der Deutsche, der zwischen 2009 und 2014 in Brasilien lebte. Die Brasilianerin Patrícia Westermann, 47, lebt seit über 22 Jahren in Deutschland. Die Physiotherapeutin reiste aus Köln an, wo sie lebt, um mit Lula zu sehen. „Ich bin Teil einer Gruppe von Aktivisten, die für die brasilianische Demokratie arbeiten. Wir zeigen hier unseren Widerstand“, erklärt sie.

Die Brasilianerin Patricia Westermann.

© Ana Paula Lisboa

In Berlin traf der frühere Präsident Lula auch Linken-Chef Bernd Riexinger, sowie mit der früheren Justizministerin Herta Däubler-Gmelin dem SPD-Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans. Und er nahm an einer Konferenz teil, auf der er mit Jörg Hofmann, Chef der IG Metall, über die Herausforderungen von Arbeitnehmern auf der ganzen Welt in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung sprach.

Lula mit Norbert Walter-Borjans.

© Ricardo Stuckert

Am Sonntag, dem Internationalen Frauentag, als er in Berlin ankam, besuchte er das Rosa-Luxemburg-Denkmal. Seine Stippvisite nach Deutschland hat gezeigt. Auch mit 74 Jahren denkt Luiz Inácio Lula da Silva nicht an die politischen Rente.

Die Korruptionsvorwürfe haben seinen Ruf beschädigt, aber in Zeiten von Bolsonaro setzen nicht nur viele Brasilianer, sondern auch seine internationalen Verbündeten offensichtlich auf ein politisches Comeback.

Ana Paula Lisboa

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