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Politik: Ein Drittel von Polen

Einige wollen ihr „Heimatrecht“ erklagen – aber auch die Verbandschefin empört Berlin und Warschau

Berlin - Zwei Aspekte heizen die Debatte um Entschädigung deutscher Vertriebener aus Polen an: Zum einen empört sich Berlin über die Forderung der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, die Entschädigungsansprüche zu einer innerdeutschen Angelegenheit zu machen und mit einem Gesetz zu regeln. Zum anderen gibt es die Ankündigung der Vertriebenenvereinigung Preußische Treuhand, im Herbst auf Rückgabe ehemals deutschen Eigentums in Polen zu klagen.

Rot-Grün bestand am Dienstag weiter auf einer klaren Distanzierung der Unionsspitze von der CDU-Politikerin Steinbach. SPD-Fraktionsvize Gernot Erler rief dazu auf, den Forderungen der Vertriebenenverbände nach Entschädigung eine deutliche Absage zu erteilen. Hessens Grünen-Chef Matthias Berninger nannte das Schweigen von CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber zu Steinbachs Aussagen „eine europapolitische Katastrophe. Wer die Hetze einer Erika Steinbach stillschweigend duldet, um die Stimmen der Vertriebenen nicht zu verlieren, schürt in Polen oder Tschechien Misstrauen und fügt dem europäischen Projekt schweren Schaden zu.“

Neben Steinbachs Äußerungen, die Polens früherer Außenminister Wladyslaw Bartoszewski für „fatal für die Aussöhnung“ hält, verunsichern das Nachbarland die Klagepläne der Preußischen Treuhand. Deren Aufsichsratsvorsitzender Rudi Pawelka will mit „einer Hand voll Präzedenzfälle“ im Herbst vor polnische Gerichte und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. Bei den Klägern handele sich um einige „Altvertriebene“ und einen Aussiedler, der in den 80er Jahren nach Deutschland gekommen sei, sagt er. Als Ziel nennt die Organisation die „Sicherung des Anspruchs, beziehungsweise Rückgabe des im Osten von den Vertreiberstaaten völkerrechtswidrig konfiszierten Eigentums“, über Aktien sollen rund 1000 Einzelpersonen an der Treuhand beteiligt sein. Pawelka nimmt an, dass die meisten von ihnen auch Eigentumsansprüche in Polen geltend machen wollen. Und zwar in einem Gebiet, das ein Drittel des heutigen Polens umfasst, schätzt er. Denn dort lebten vor dem Zweiten Weltkrieg Deutsche.

Die Steinbach-Forderung nach einer gesetzlichen Regelung der Entschädigungsfrage lehnt Pawelka strikt ab. Dies würde nur auf eine finanzielle Entschädigung durch die Bundesregierung hinauslaufen, sagt er. Die Treuhand aber wolle eine „Herstellung des Heimatrechts“, was einen Anspruch auf zurückgelassenes Eigentum bedeutet. Damit stört Pawelka, selbst Mitglied im BdV, empfindlich dessen Strategie. Ein BdV-Sprecher nannte die Rückgabeansprüche denn auch „idiotische materielle Restitutionsforderungen“. Der BdV wolle „eine politische Lösung“. Juristen zweifeln, ob die Treuhand-Klage Erfolg haben kann. Pawelka selbst vermutet, dass polnische Gerichte sie abweisen werden. Und da Polen der Europäischen Menschenrechtskonvention 1993 beigetreten ist, die Enteignungen aber nach 1945 stattfanden, ist die Frage, ob der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte überhaupt zuständig ist.

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