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Eine Ampulle mit dem in Russland entwickelten Corona-Impfstoff Sputnik V steht vor einer Impfung in einem Raum auf einem Tisch.

© dpa/Pavel Golovkin/AP

Ein Jahr russischer Corona-Impfstoff: Die Zweifel an Sputnik V sind nicht ausgeräumt

Mit Sputnik V wollte Russland den Wettlauf um den weltweit ersten Impfstoff gewinnen. Doch noch immer gibt es offene Fragen.

Als die Welt noch ungeduldig auf einen rettenden Corona-Impfstoff wartete, gelang Russland mit Sputnik V ein zweifelhafter Durchbruch. Staatschef Wladimir Putin verkündete vor genau einem Jahr (11. August) höchstpersönlich: Zum ersten Mal auf der Welt sei ein Impfstoff gegen das Coronavirus zugelassen worden.

Wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit des in Rekordzeit entwickelten Mittels aber legten die Forscher nicht vor. Noch immer gibt es offene Fragen. Geblieben ist ein weit verbreitetes Misstrauen, das Moskau bis heute nicht aus der Welt geräumt hat.

Jetzt teilte Gesundheitsminister Michail Muraschko mit, der russische Impfstoff verfüge über eine rund 83-prozentige Wirksamkeit gegen die Delta-Variante des Virus. Und sei damit niedriger als bislang gedacht.

Die Entwickler des Vakzins hatten im Juni erklärt, Sputnik V biete zu rund 90 Prozent Schutz gegen die Delta-Variante, die als besonders ansteckend gilt und von russischen Behörden für den Anstieg der Infektionszahlen in den vergangenen beiden Monaten verantwortlich gemacht wird.

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Alexander Ginzsburg, Direktor des Gamaleja-Instituts, welches den Impfstoff entwickelt hat, widerspricht den neuen Zahlen indirekt in einem Zeitungsinterview, das ebenfalls am Mittwoch erschien, berichtet der „Spiegel“. Demnach sei Sputnik V sicher gegen alle Varianten, heißt es. Russland kämpft seit Monaten mit steigenden Infektionsraten und sinkender Impfbereitschaft – trotz Impfpflicht.

Sputnik V in 69 Ländern registriert

Als der Impfstoff auf den Markt kam, fühlten sich nicht wenige in Russland als Versuchskaninchen, weil erst parallel zur Freigabe des Impfstoffs die wichtige Testphase III mit mehreren Zehntausend Freiwilligen begann. Erst mit ihr kann nach Expertenmeinung herausgefunden werden, ob ein Mittel wirklich zuverlässig wirkt und sicher ist. Das schnelle Vorgehen Moskaus stieß deshalb bei Wissenschaftlern international auf Kritik. Aber Russland wollte das Wettrennen um einen Impfstoff gewinnen.

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In den vergangenen Monaten vergingen kaum Wochen, an dem der staatliche Direktinvestmentfonds RDIF keine Jubel-Meldungen verkündete. In 69 Ländern sei Sputnik V mittlerweile registriert, erklärte der Fonds, der das Vakzin etwa im Ausland vermarktet. Zu den Abnehmern gehören die Staaten der Ex-Sowjetrepublik ebenso wie viele in Südamerika, die Türkei, der Iran und Indien.

Fuß fassen möchte Russland auch auf dem lukrativen Markt in der EU. Doch ob es damit etwas wird, ist derzeit ungewiss. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) prüft den Impfstoff bereits seit Anfang März. Ihr Urteil entscheidet, ob die EU-Kommission dann im nächsten Schritt die offizielle Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt.

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„Bislang ist es dem Hersteller nicht gelungen, genügend valide Daten zu liefern, um die Sicherheit nachzuweisen“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor wenigen Tagen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Das werfe Fragen auf.

Der Kommentar dürfte nicht nur für den Hersteller, sondern auch für die Behörden in den EU-Ländern Ungarn und Slowakei ärgerlich gewesen sein. Sie hatten nämlich Sputnik V bereits vor einiger Zeit auch ohne grünes Licht der EMA zur Verwendung freigegeben.

Zulassung in der EU aus politischen Gründen verzögert?

Es kursiert allerdings auch der Verdacht, dass die Zulassung in der EU aus politischen Gründen und nicht nur wegen fehlender Daten verzögert wird. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte bereits Ende Mai via „Bild am Sonntag“ gefordert, das Verfahren um Sputnik V müsse beschleunigt werden. „Es darf nicht aus rein ideologischen Gründen getrödelt werden“, sagte der CSU-Politiker.

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Bayern ist neben Mecklenburg-Vorpommern auch eines der Bundesländer, die sich Kaufoptionen für den russischen Impfstoff gesichert haben. Zuletzt war auch der Aufbau einer Produktionsstätte durch die Firma R-Pharm Germany in Illertissen im Landkreis Neu-Ulm geplant. Doch die Verhandlungen scheinen ins Stocken geraten zu sein. Bisher existiert dem Vernehmen nach nur eine Absichtserklärung - die Gespräche über einen richtigen Vertrag wurden angestoßen - mehr bisher nicht.

[Mehr zum Thema: Bruchlandung für Sputnik V - Russischer Corona-Impfstoff enttäuscht (T+)]

Russland warnt immer wieder davor, die Frage einer Zulassung nicht zu politisieren. Moskau selbst lässt aber keine ausländischen Vakzine im eigenen Land zu. Man habe genug eigene Impfmittel, heißt es im Kreml.

Nur ein Bruchteil der Sputnik-V-Dosen tatsächlich geliefert

Moskau zeigt meist wenig Interesse an Transparenz, was sein Auslandsgeschäft mit Sputnik V angeht. Im Frühjahr errechneten unabhängige russische Medien, dass nur ein Bruchteil der zugesagten Dosen tatsächlich ausgeliefert worden sei. Zuletzt räumte der Staatsfonds immerhin Lieferengpässe ein. Diese Probleme sollten aber in diesem Monat behoben werden, versprach der Fonds.

Ab September soll etwa auch der weltgrößte Impfstoffhersteller, das Serum Institute in Indien, über 300 Millionen Dosen pro Jahr liefern. Verträge über die Produktion seines Vakzins hat Moskau in 14 Ländern.

Doch auch im Riesenreich selbst stockte es. Es gab Berichte, dass Menschen in einigen Regionen mitunter wochenlang warten mussten. Dagegen konnten sich die Moskauer mit Beginn der Massenimpfung im Dezember sogar in Shoppingzentren spritzen lassen.

Doch der Ansturm blieb aus. Nur halbherzig warb die Politik für eine Immunisierung. Putin zögerte eine Impfung monatelang hinaus, um sich erst im März ohne Kameras einen Impfstoff verabreichen zu lassen. Erst kürzlich verriet er, dass er Sputnik V bekam. Zum PR-Desaster wurde der Ratschlag, rund um eine Impfung 52 Tage auf Alkohol zu verzichten. Tagelang wurde allein darüber hitzig diskutiert. (dpa, Reuters)

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