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Politik: Eine Koalition gegen die Trotzköpfe (Leitartikel)

Brandenburg ist eine kleine Welt für sich. Abhängig zwar, aber trotzig, oft unwillig, sich auf die neuen Verhältnisse einzustellen - und gerade darauf besonders stolz.

Brandenburg ist eine kleine Welt für sich. Abhängig zwar, aber trotzig, oft unwillig, sich auf die neuen Verhältnisse einzustellen - und gerade darauf besonders stolz. Was vielen außerhalb Brandenburgs ein Makel ist, gilt hier als Prädikat: Irgendwie ist Brandenburg eine kleine DDR. Wer hier Erfolg hat, erregt geradezu zwangsläufig anderswo Verwunderung. Manfred Stolpe weiß, was seine Märker hören wollen - und er spricht es auch aus. Nur konnte er nicht immer danach handeln, schließlich ist auch Brandenburg wieder vereinigt. Die Leute begannen an ihm zu zweifeln. Jörg Schönbohm, Stolpes neuer Partner im Regierungsgeschäft, lernt Brandenburg erst noch kennen, wie auch die Brandenburger ihn erst kennen lernen. Die spannenden Fragen der nächsten Jahre sind deshalb: Wird Brandenburg mit Schönbohms Hilfe endlich ein Land wie jedes andere - oder wird Schönbohm wie jeder Brandenburger? Und wem wird Stolpe zur Seite stehen: Schönbohm - oder den Brandenburgern?

Schönbohm brachte sich und die CDU an die Macht; dafür nahm er nach der Wahl einiges in Kauf. Die Frage, wie Religion in die Schulen kommt, überließ er als Christdemokrat ohne großen Widerstand dem Verfassungsgericht. Im Wortgefecht mit der Ost-Ikone Hildebrandt war er als Ex-General sogar schnell bereit, ohne Not die weiße Fahne zu hissen. Hauptsache: dabei. Jetzt ist er dabei - und präsentiert eine Ministerriege, die ein trotziger Alt-Brandenburger durchaus als Provokation verstehen kann. Jeder Kandidat für sich, einschließlich Schönbohm selbst, hat das Zeug zum Minister. Aber jeder dieser Kandidaten stammt aus dem Westen. Stolpes Minister kommen - wie gehabt - von überall her. Neben reinen Fachleuten bietet er auch Leute mit vertrauten Namen und bekannten, märkischen Gesichtern auf. Noch kurz vor der Wahl hatte Stolpe die Ost-Karte gezogen, als er seinen Mann für das Wirtschaftsministerium benannte. Es war nicht die beste Karte, wie sich schnell zeigte, aber mit seiner Auswahl machte Stolpe eines ganz klar: Er setzt weiter auf den Bonus der Herkunft. Schönbohm kann das nicht.

Mag sein, dass sich Stolpe und Schönbohm ihre Brandenburger so vornehmen wie zwei Kriminalpolizisten einen Verdächtigen: Der eine spielt den Guten, der andere den Bösen. Früher oder später geben die derart hin- und hergerissenen ihren Widerstand auf. Der gutmütige, verständige Ministerpräsident mit Stallgeruch und der kantige, importierte Innenminister - können sie gemeinsam erfolgreich wirken? Wollen sie es überhaupt?

Die Art und Weise, wie beide die Koalition zustande gebracht haben, lässt ahnen, wie es weitergeht. Der Wille zum Erfolg ist deutlich erkennbar. Beiden ist es gelungen, ihre Parteien einigermaßen ruhig zu halten. Beide haben zudem bereits in Koalitionen regiert. Andererseits lassen die ersten Taten auch schon erkennen, wo die Gefahren liegen. Die von allen gewollte deutliche Verkleinerung der Regierung wurde nicht erreicht. Die CDU hat nach Jahren der Machtlosigkeit Hunger, und den zu stillen kostet Geld. Brandenburg ist aber nicht in der Lage, irgendetwas ausufern zu lassen. Die Koalition muss eindämmen können. Sie hätte bei sich anfangen können. Sie tat es nicht, und das ist ein schlechtes Zeichen.

Ein großer politischer Taktiker ist Schönbohm nicht, das hat sich schon in Berlin gezeigt. Stolpe ist da im Vorteil. Aber wenn nach der nächsten Wahl die kleine DDR noch lebt und die SPD wieder alleine regieren kann, dann hat nicht nur Schönbohm verloren. Dann hat das ganze Land verloren.

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