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Welche Daten landen beim Bundeskriminalamt? Die Behörde steht unter Rechtfertigungsdruck.

© REUTERS

Vorwürfe gegen BKA: Eine Superbehörde im Datenrausch

Das Bundeskriminalamt sammelt Daten, ohne es zu dürfen – und die Politik sieht zu. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Wenn CSU-Politiker das Bundeskriminalamt zu mehr Datenschutz mahnen, ist entweder Wahlkampf oder es liegt tatsächlich etwas im Argen. Im Fall der entzogenen Akkreditierungen von Journalisten beim G-20-Gipfel trifft beides zu. Bei dem angeblich sorgsam vorbereiteten Treffen der Weltlenker hatte es neben viel Krawall einige verdutzte Pressevertreter gegeben, die aus Sicherheitsgründen plötzlich nicht mehr hinter die Absperrungen durften. Nun stellt sich heraus, dass die Behörden geschludert hatten. Daten, welche die Betroffenen zum Sicherheitsrisiko stempelten, waren unrichtig oder unvollständig. Rund 30 Journalisten wurden verdächtigt, bei mindestens vier, möglicherweise mehr, hätte das nicht passieren dürfen.

Menschliches Versagen? Fehler im System? Ihr falsches Polizeiprofil haben die verhinderten Berichterstatter nach allem, was bisher bekannt ist, unzureichend erfüllten Protokollpflichten anderer Behörden zu verdanken. Da blieben Anzeigen gespeichert, die längst fallen gelassen wurden, oder es wurde eine Beschuldigung registriert, wo später ein Freispruch erfolgte. Es dürfte sich dabei nur um die Spitze des rechtswidrigen Datenbergs handeln, auf dem das Bundeskriminalamt thront. Nicht immer ist die Behörde selbst schuld. Sie nimmt es aber billigend in Kauf und befördert es selbst, dass die Übersicht verloren geht.

Der ganze Rummel zeigt nur eines. Die Verwendung von Daten ist nicht mehr zu kontrollieren, wenn sie einmal erhoben sind. Es gilt daher den gierigen Datensammlern rechtzeitig auf die klebrigen Finger zu klopfen.

schreibt NutzerIn zweibein

Für mehr Überprüfung bräuchte es mehr Mitarbeiter

Aus dem Koordinierungsbüro für internationale und föderale Polizeiarbeit ist eine Superbehörde zur Gefahrenabwehr geworden. Einer der Hauptjobs: gewaltige Datenströme in die richtigen Sammelbecken fließen zu lassen und korrekte Informationen an rechtlich zulässige Empfänger zu leiten. Angesichts unterschiedlichster Voraussetzungen der Erfassung und Weitergabe keine leichte Aufgabe. Nimmt man noch hinzu, dass bei der Datenverarbeitung eine individuelle, die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit achtende Gefahrenprognose zu erstellen wäre, wird daraus vielleicht sogar eine unmögliche. Die Beamten würden sich sonst nicht mehr mit Terrorabwehr und Verbrecherjagd befassen, sondern mit der Legalitätsprüfung von Datenmassen.

Der zutreffende Hinweis der Verantwortlichen, hier handele es sich um ein altes Problem, sollte die Sicht auf die Dinge so wenig trüben wie die Asche, die sie sich jetzt, da das Thema ins Bewusstsein rückt, in ungewohnter Menge auf die Häupter streuen. Es bleibt ein Dilemma, das auch die variantenreichen Skandale um die Datensaugereien der Nachrichtendienste prägt. Man will oder muss teilweise wohl auch mithalten beim global-digitalen Rastern. Und doch lässt sich die Beurteilung, was im Einzelfall Recht und was Unrecht sein soll, bisher schlecht automatisieren. Sie braucht das menschliche Maß.

Damit hat die Politik die Wahl. Sie muss entweder mehr Ressourcen freisetzen, um die Rechtmäßigkeit des digitalen Verwaltungshandelns zu gewährleisten. Oder sie setzt auf das Prinzip der Datensparsamkeit und achtet auf Qualität statt Quantität. Noch besser wäre es, beides miteinander zu verbinden. Was gar nicht hilft: Politiker, die Zustände beklagen, die sie selbst schon lange mittragen.

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