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Politik: Einig gegen Kurdistan

Syriens Präsident Assad besucht die Türkei. Und plötzlich wird aus dem alten Gegner ein geschätzter Freund

Der Feind von gestern ist der Verbündete von heute. Für die Türkei war der südliche Nachbar Syrien lange Jahre ein Gegner, gegen den hin und wieder sogar Panzer aufgeboten wurden. Doch jetzt besucht der syrische Staatschef Baschar al Assad als erster Präsident seines Landes die Türkei, und die Türken erfahren aus ihren Zeitungen, dass Assad „Botschaften der Freundschaft“ im Gepäck habe und dass seine Frau Esma westlich orientiert und „sehr schick“ sei.

Ein Grund für den rekordverdächtigen Image-Wandel vor dem Auftakt des dreitägigen Staatsbesuches am Dienstag ist die Bereitschaft der Syrer, einige der Bombenleger von Istanbul an die Türkei auszuliefern. Außerdem haben beide Staaten ihre gemeinsamen Interessen in der Region entdeckt. Besonders das Autonomiestreben der Kurden im Irak lässt die Nachbarn zusammenrücken: Ankara und Damaskus wollen einen Kurdenstaat im Norden des Irak verhindern.

Noch vor etwa vier Jahren fuhren türkische Panzer an der Grenze zu Syrien auf, um Damaskus zu zwingen, den kurdischen Rebellenchef Abdullah Öcalan aus dem Land zu werfen. Unter dem türkischen Druck musste Öcalan Syrien verlassen; kurze Zeit später wurde er vom türkischen Geheimdienst gefasst. Doch die Probleme der Vergangenheit seien überwunden, sagte Assad nun. In Interviews mit türkischen Medien sprach er von einer „super Zusammenarbeit“. Ein Kurdenstaat sei für Syrien wie für die Türkei eine „rote Linie“, bei der die Toleranz aufhöre. Darin sind sich nicht nur Syrien und die Türkei einig, sondern auch Iran, der dritte Anrainer des Nordirak. Alle drei Staaten haben eigene kurdische Minderheiten.

Die jüngsten Ereignisse in der nordirakischen Stadt Kirkuk haben die türkisch-syrischen Befürchtungen noch verstärkt. Die Kurden wollen das ölreiche Kirkuk in ein künftiges kurdisches Bundesland im Irak eingliedern, was von anderen Volksgruppen in der Region abgelehnt wird. Erst in der vergangenen Woche starben in Kirkuk vier Menschen, als bewaffnete Kurden das Feuer auf turkmenische und arabische Demonstranten eröffneten, die dagegen protestierten. Die Pläne für ein föderales System im neuen Irak machen Ankara und Damaskus misstrauisch. Nach amerikanischen Presseberichten haben die USA schon einer weitgehenden Autonomie für die Kurden im Irak zugestimmt – aus der Sicht der irakischen Nachbarn ist das der erste Schritt zum Kurdenstaat.

Außenpolitisch ist die gemeinsame Linie mit Syrien in der Kurdenfrage für die Türkei nicht ohne Risiken. Bei allem Interesse daran, die irakischen Anrainer zu einer Front gegen einen Kurdenstaat zusammenzuschweißen, will die Türkei ihr gutes Verhältnis zum syrischen Erzfeind Israel nicht aufs Spiel setzen. Die israelische Regierung reagierte auf den Assad-Besuch in Ankara, indem sie ihre Beziehungen zur Türkei weiter intensivierte: Nach jahrelangem Zögern stimmte das Kabinett in Jerusalem dem Kauf von jährlich 50 Millionen Kubikmetern Trinkwasser in der Türkei zu, das sind fünf Prozent des israelischen Jahresbedarfs an Wasser. Der Vertrag soll 20 Jahre lang laufen, das Wasser mit einer Flotte von Riesentankern nach Israel transportiert werden. Im Gegenzug liefert Israel Panzer und Luftwaffentechnologie berichtet die britische Tageszeitung „The Guardian“.

Die neue Bindung an Syrien bringt Ankara aber auch Probleme mit den USA. Schließlich gilt Damaskus dem türkischen Hauptverbündeten als Terror-Sympathisant. Washington wird es nicht gerne sehen, wenn Syrien durch eine vertiefte Zusammenarbeit mit Ankara hoffähig gemacht werden sollte. Zumindest kann die Türkei den Amerikanern mithilfe der neuen Partnerschaft aber signalisieren, wie ernst es ihr ist: Seht her, wir arbeiten sogar mit Damaskus zusammen, wenn ein Kurdenstaat damit verhindert werden kann.

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