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Politik: Einsame Spitze

Nach 100 Tagen Amtszeit ist Irans Präsident Ahmadinedschad geschwächt – und von Gegnern umzingelt

Beim überraschenden Sieg des konservativen Ideologen Mahmud Ahmadinedschad bei der iranischen Präsidentschaftswahl im Juni herrschte weltweit Rätselraten über die Auswirkungen. Vor allem fragte man sich, wie die künftige Außenpolitik des Landes aussehen würde, stand doch Iran wegen seines Atomprogramms unter starkem internationalem Druck. Der 49-Jährige, der als Bürgermeister von Teheran keine außenpolitische Erfahrung besitzt, hatte im Wahlkampf hauptsächlich mit einem populistischen Programm gepunktet, in dem es um soziale Gerechtigkeit und den Kampf gegen die Korruption ging.

Rund hundert Tage nach seinem Amtsantritt steht Ahmadinedschad bereits vor einem Scherbenhaufen. Er hat es noch immer nicht geschafft, eine vollständige Regierung zu präsentieren: Das ebenfalls mit Konservativen besetzte Parlament hatte vier seiner Ministerkandidaten durchfallen lassen. Und am Mittwoch scheiterte nun auch Ahmadinedschads jüngster Kandidat für das wichtige Erdölministerium im Parlament – es war bereits der dritte von ihm für diesen Schlüsselposten vorgeschlagene Mann. Dem zweiten hatten die Abgeordneten die Zustimmung verweigert, weil dessen einzige Qualifikation darin bestanden habe, wie Ahmadinedschad Mitglied der Revolutionären Garden gewesen zu sein. Beim dritten nun wurde dessen fachliche Qualifikation bezweifelt. Außerdem kreideten sie ihm an, dass viele seiner Verwandten in den USA lebten und er somit eine Art Sicherheitsrisiko darstelle. Nach dieser erneuten Schlappe ist der Präsident nach Aussagen des iranischen Politikwissenschaftlers Saed Laylaz „so schwach wie nie zuvor“.

Außenpolitisch hat Ahmadinedschad bereits mehr Porzellan zerschlagen als befürchtet worden war. Nicht nur hat er den Ton gegenüber dem Westen verschärft und den Austausch zahlreicher iranischer Botschafter angekündigt, die zum „Reformlager“ gehörten. Mit seiner Äußerung, Israel müsse „von der Landkarte verschwinden“, hat er die gesamte Welt gegen sich aufgebracht und die Zweifel an den friedlichen Absichten, mit denen Iran sein Atomprogramm betreiben will, deutlich verstärkt.

Beobachter gehen davon aus, dass seine Gegner im konservativen Lager den außenpolitisch unbeleckten Ahmadinedschad in diese Falle haben laufen lassen, um ihn zu schwächen. So unterzeichnete Religionsführer Chamenei eine Satzungsänderung des so genannten Schlichtungsrates. Dieser soll eigentlich bei Streit zwischen Parlament und Wächterrat, der jedem Gesetz zustimmen muss, vermitteln. Das Gremium wurde nun aufgewertet und kontrolliert alle drei Gewalten: Jede Entscheidung des Parlaments, der Justiz und auch der Regierung können die vom Religionsführer ernannten Mitglieder des Rates außer Kraft setzen. Es wird gemunkelt, der Vorsitzende des Rates, Ali Akbar Rafsandschani, der überraschend die Stichwahl gegen Ahmadinedschad verloren hatte, habe den Religionsführer dazu gedrängt, um seine eigene Macht auszubauen. Es könnte aber auch sein, dass Chamenei damit den Übereifer des so genannten „neokonservativen“ Radikalislamisten zügeln will. Chamenei selbst sah sich nach den Israeläußerungen Ahmadinedschads gezwungen klarzustellen, dass Iran kein anderes Land angreifen werde.

Doch der Schaden ist enorm, denn die aberwitzigen Äußerungen des Präsidenten haben den USA den Vorwand geliefert, ihren harten Kurs gegen Teheran fortzusetzen – auch wenn die Regierung durch die Aufwertung des Schlichtungsrates entmachtet wurde und sich das Machtgefüge weiter zu Gunsten nichtgewählter Institutionen verschoben hat. Allerdings wird der Bruch innerhalb des konservativen Lagers auch die zukünftige Politik Irans überschatten und dazu führen, dass weiterhin widersprüchliche Signale aus Teheran kommen. Das war in der Vergangenheit nicht anders. Doch in der jetzigen Machtkonstellation fehlen dem Land die Reformer, welche die Beziehungen zum Westen bisher immer wieder einrenken konnten.

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