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Politik: Elder statesmen unter sich

Joschka Fischer spricht in den USA über Nahost

Willkommen im Kreis der „elder statesmen“. Was bleibt von den Jahren an der Macht: das Frozzeln über die Symbolik der Krawatten, eine Professur – vielleicht – und die leidenschaftliche Verteidigung der eigenen Außenpolitik? Joschka Fischer hat sein altes Kampfgewicht, Zbigniew Brzezinski, Sicherheitsberater von US-Präsident Jimmy Carter 1977 bis 1981, wirkt fast schmal daneben. Über das transatlantische Verhältnis wollten sie am Mittwochabend in Washington reden. Doch immer wieder kehren sie in den Nahen und Mittleren Osten zurück, für beide eine Schicksalsregion. Am Palästinakonflikt haben sich die USA seit Jahrzehnten abgearbeitet, seit den 90ern auch die Bundesregierung; die Besetzung der US-Botschaft in Teheran besiegelte die Niederlage Carters und damit Brzezinskis, Fischer ist mit einer Iranerin verheiratet.

Den weltweiten Blick vom Feldherrnhügel gewesener Spitzenpolitiker beginnen beide brav: Erleichterung, dass Washington und Berlin über die kältesten Tage der politischen Eiszeit hinweg sind, unterlegt mit Warnungen. Die Krise sei „nur oberflächlich bewältigt“, sagt Brzezinski. Nein, er will nicht als Anti-Europäer erscheinen, er habe sich extra eine EU-Krawatte angezogen: goldene Sterne auf blauem Hintergrund. Aber „das Grundproblem bleibt: Europa ist zu globaler Führung nicht fähig“, die Bush-Regierung zeige ein „exzessives Übermaß“, anderen den Weg weisen zu wollen. „Ich auch, ich auch“, fällt Fischer Brzezinski bei der Krawattenfrage ins Wort – zur Verwunderung der Zuhörer. Sein Binder ist orangerot. Erst wenn man direkt vor ihm steht, werden die eingewebten Buchstaben EU sichtbar, ein Souvenir vom Gipfel in Luxemburg. „Es muss sich erweisen, ob der neue Pragmatismus Regel oder Ausnahme ist.“ Froh sei er, dass das Waffenembargo gegen China nicht aufgehoben wurde, wie Kanzler Schröder wünschte. „Jetzt darf ich es ja sagen.“

Die Iranpolitik der Bush-Regierung sei eine Sackgasse, da sind sie sich einig. Die USA dürfen die Verhandlungen, die Teheran von seinem Atomprogramm abbringen sollen, nicht den Europäern überlassen. Die haben zu wenig anzubieten, zu wenig Druck, zu wenig Anreize. Die USA müssten an den Verhandlungstisch und „volle Normalisierung am Ende des Prozesses“ anbieten, sagt Brzezinski. Das ständige Hin und Her – alle paar Tage bricht Teheran die Atomgespräche ab, um dann doch wieder auf russische Kompromisse einzugehen – führe zu nichts.

Bei Hamas sind sie sich uneins. „Lasst Hamas regieren!“, stellt sich Brzezinski hinter Jimmy Carters jüngste Forderung. Entzug der Finanzhilfe für Palästinas Autonomiebehörde treibe Hamas nur in die Arme Irans und islamischer Fundamentalisten. „Wir müssen ihnen Zeit geben, sich zur Anerkennung Israels durchzuringen.“ Viel zu optimistisch nennt Fischer das, „Hamas ist eine Terrororganisation“, und beginnt die Wechselwirkungen zwischen Irak, Iran, den Saudis und Nahost auszulegen. Nervös klopft Brzezinski mit der Hand auf den Tisch. „Aber was wollen sie tun?“ – „Moment mal, ich stelle wichtige Fragen.“ – „Ich weiß, aber was folgt daraus praktisch?“ Da ist der Gegensatz wieder zwischen deutscher Sehnsucht nach Debatte und amerikanischer nach Taten. War der Abend ein Probelauf für Fischers Professur in Princeton? „Abwarten“, sagt der. „Noch ist nichts endgültig.“

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