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England: Uniformierte Ansichten

Die Londoner Polizei wehrt sich gegen den Vorwurf des Rassismus. Es betrifft den Stadtteil, in dem im Sommer die Olympischen Spiele beginnen sollen.

Wieder einmal kämpft die Londoner Polizei um ihren Ruf. Nach Bestechungsskandalen und Kritik am zu nachgiebigen Durchgreifen gegen Protestler im vergangenen Sommer geht es nun wieder um den ältesten Vorwurf: Rassismus.

14 Jahre nachdem der Richter Sir William McPherson der Londoner Polizei „institutionalisierten Rassismus“ vorgeworfen und damit ein Jahrzehnt selbstkritischer Polizeireformen ausgelöst hatte, laufen gegen mindestens 20 Polizeibeamte in London wieder Untersuchungen wegen Rassismus. Acht Beamte wurden vom Dienst suspendiert.

Zentrum der Vorwürfe ist der Londoner Stadtbezirk Newham, wo im Juli die Olympischen Spiele beginnen werden. Es ist der Bezirk, in dem im Sommer 2011 nach einer Konfrontation zwischen schwarzen Bürgern und der Polizei Krawalle ausbrachen: Bei seiner Verhaftung war ein Bandenmitglied getötet worden.

Nun wird wieder eine Flut von Anschuldigungen gegen Polizisten laut, ausgelöst durch die Veröffentlichung einer Tonaufnahme, die der 21-jährige Mauro Demetrio bei seiner Verhaftung während der Krawalle machte. Einer der Polizisten sagt zu ihm. „Dein Problem ist, dass du immer ein Nigger bleiben wirst.“ Die Staatsanwaltschaft prüft, ob gegen den Polizisten Anklage erhoben wird.

Der Fall Demetrio führte zu einer ganzen Reihe ähnlicher Vorwürfe. Es geht um Beschimpfungen, um Diskriminierungen bei Notrufen, um „Mobbing“ von schwarzen Polizeiassistenten durch weiße Kollegen, und in einem Fall werden fünf Beamte der Körperverletzung beschuldigt.

Die „Met“ oder „Metropolitan Police“, wie die Londoner Polizei offiziell heißt, reagierte mit einer Mischung aus Zerknirschung und Selbstrechtfertigung. Alle Fälle seien an die unabhängige Polizeiaufsichtsbehörde IPCC (Independent Police Complaints Commission“) zur Untersuchung geleitet worden.

„Die Met duldet keinen Rassismus. Rassistische Übergriffe sind abscheulich“, betonte der Polizei-Vizechef Craig Mackey. „Beruhigend ist, dass von den zehn an die IPCC überwiesenen Fällen sechs darauf zurückgehen, dass andere Polizeibeamte ihre Bedenken an Vorgesetzte meldeten. Das zeigt, dass wir als Organisation rassistisches Verhalten nicht akzeptieren.“

Mackey nahm damit auf die Formel des „institutionalisierten Rassismus“ aus dem MacPherson-Bericht Bezug. Dieser Bericht untersuchte den Mord an dem Teenager Stephen Lawrence, der 1993 von einer Gruppe unter rassistischem Gejohle zusammengeschlagen wurde. Trotz Festnahmen und Anklagen wurde niemand verurteilt. Als Grund nannte Macpherson, die Aufklärungsarbeit der Polizei sei von Rassenvorurteilen beeinträchtigt gewesen.

Der Fall wurde ein Schlüsselmoment in der britischen Rassismus-Diskussion. Erst im Januar 2012 wurden zwei der ursprünglichen Verdächtigen wegen Mordes verurteilt – die Aufklärung wurde allgemein als Wiedergutmachungsakt der Londoner Polizei verstanden.

Immer wieder werden vor allem Personendurchsuchungen von Schwarzen debattiert. Schwarze seien „zu sehr kontrolliert und zu wenig beschützt“, klagt der Verband der schwarzen Polizisten. Sieben Mal so viele Schwarze wie Weiße werden auf offener Straße angehalten und durchsucht – mehrfach sogar der Erzbischof von York. Dabei werden nur zwölf Prozent wirklich verhaftet. Dabei ist „Stop and Search“ legal nur möglich, wenn konkrete Verdachtsmomente vorliegen. Die Gleichheitskommission nannte vor zwei Jahren „rassistische Vorurteile“ als Grund dieser Unproportionalität.

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