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© dpa

Entführungen: Geld, Politik, Videos

In Afghanistan und im Irak ist die Zahl der Entführungen in den vergangenen Jahren extrem angestiegen.

Es ist nur ein Gerücht, und ein besonders zynisches dazu. Aber es beschreibt, um was es bei einer Entführung geht: In Afghanistan sollen zur Zeit italienische Journalisten besonders viel wert sein. Das heißt, dass ihre Kidnapper für sie besonders viel Lösegeld erwarten können. Grund dafür dürfte der Fall des im Frühjahr nach zwei Wochen Gefangenschaft freigelassene Repubblica-Reporter Daniele Mastrogiacomo sein. Die Regierung in Rom soll extremen Druck auf den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai ausgeübt haben, um Mastrogiacomo frei zu bekommen. Kommandeure der Taliban prahlten offen damit, ihnen seien hohe Summen für den Reporter angeboten worden, man habe aber auf einem „Geiselaustausch“ bestanden. Und tatsächlich: Ende März kam Mastrogiacomo frei, zur gleichen Zeit wurden fünf Taliban aus der Haft entlassen. Unter ihnen der Bruder des als besonders brutal bekannten Mullah Dadullah. Dadullah haben vor einigen Wochen die internationalen Truppen getötet. Sein freigelassener Bruder soll ihm als militärischer Kommandeur der Taliban nachgefolgt sein.

Auch wenn ausländische Regierungen es aus gutem Grund heftig zurückweisen: Es geht um politische Ziele, und es geht um Geld – das offenbar immer wieder gezahlt wird. Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Sowohl in Afghanistan als auch im Irak ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Entführungsfälle extrem angestiegen. In Afghanistan hatte neben dem Fall Mastrogiacomo die Entführung mehrerer Franzosen Schlagzeilen gemacht. Am 3. April waren in der Provinz Nimros zwei Freiwillige der Organisation „Terre d'enfance“ und ihre drei afghanischen Führer gekidnappt worden. Céline Cordelier kam nach mehreren Wochen am 28. April frei, Eric Damfreville am 11. Mai. Was aus ihren afghanischen Führern geworden ist, ist unklar. Im Gegensatz zum Schicksal des gemeinsam mit Mastrogiacomo entführten Afghanen Adschmal Nakschbandi. Nakschbandi war Anfang April nicht frei gelassen worden, sondern wurde einige Tage später von seinen Folterern ermordet. In Afghanistan und in Italien hatte das große Wut ausgelöst – Nakschbandis Schwager soll bei dessen Beerdigung in Kabul gerufen haben: „Für einen Ausländer können sie fünf Taliban frei lassen, für einen einheimischen Muslim lassen sie niemanden frei!“

Welche Hintergründe nun die Entführung des Deutschen in Afghanistan vor etwa einer Woche hat, und ob möglicherweise Lösegeldforderungen vorliegen, war am Donnerstag noch unklar. Sicher ist aber, dass die Opfer, die in die Hände geldgieriger Krimineller fallen, bessere Chancen haben, die Tortur zu überleben, als diejenigen, die von politischen Tätern gefangen genommen worden sind.

Denn Forderungen, wie sie zuletzt auch an die Bundesregierung im Fall der beiden seit Monaten im Irak verschleppten Deutschen gestellt worden sind, kann und wird keine Regierung erfüllen. In zwei Videobotschaften hatte die so genannte Brigade der Rechtschaffenheit Hannelore Krause und ihren Sohn Sidan zur Schau gestellt und unter anderem den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan gefordert. Im Auswärtigen Amt in Berlin tagt jetzt neben dem Krisenstab Irak auch der Krisenstab Afghanistan. Mit Ausnahme der verschiedenen Länderexperten deckt sich das Personal zum großen Teil.

Vom Krisenstab Irak hatte man zuletzt kaum mehr etwas gehört. Denn seit der zweiten Videobotschaft der Brigade von Anfang April ist es sehr still um den Fall geworden. Bis heute gab es keine weitere Botschaft der Entführer. Auch Sicherheitsexperten geben sich extrem bedeckt, was das Schicksal von Mutter und Sohn betrifft. Es bleibt nur zu hoffen, dass das ein Anlass zur Hoffnung sein kann.

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