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Entscheidende Phase: Verfahren gegen AKP vor Abschluss

Während der Staatsanwalt im Verbotverfahren gegen die türkische Regierungspartei AKP sein Plädoyer hält, plant Ministerpräsident Erdogan bereits eine neue Partei.

Das Verbotsverfahren gegen die türkische Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan geht in die entscheidende Phase. An diesem Dienstag hält Generalstaatsanwalt Abdurrahman Yalkcinkaya vor dem Verfassungsgericht in Ankara sein Schlussplädoyer. Er verlangt die Auflösung der AKP wegen islamistischer Tendenzen und ein fünfjähriges politisches Betätigungsverbot für Erdogan und andere AKP-Politiker. Ein Urteil könnte in wenigen Wochen gesprochen werden. Die AKP fordert eine rasche Entscheidung, damit sie sich gegebenenfalls auf vorgezogene Neuwahlen vorbereiten kann - bei denen sie möglicherweise unter einem neuen Namen wieder antreten könnte.

Yalcinkaya argumentiert, die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) habe unter anderem durch ihren Vorstoß zur Legalisierung des Kopftuches für muslimische Studentinnen gezeigt, dass sie die laizistischen Grundsätze der Republik nicht achte. Das Verfassungsgericht hatte erst vor kurzem eine von der AKP durchgesetzte Verfassungsänderung zur Kopftuchfrage als antilaizistische Initiative gewertet und annulliert.

Experten bezweifeln Überzeugunskraft der Argumente

Die AKP, die bei weitem größte Partei des Landes, spricht von einer politisch motivierten Kampagne der kemalistischen Eliten. Die Kemalisten, die sich auf Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk berufen, sind vor allem in der Armee, der Justiz und Teilen der Bürokratie nach wie vor die bestimmende Kraft. Seit einigen Jahren wird ihre Machtstellung allerdings von der sogenannten anatolischen Bourgeoisie infrage gestellt, die aus frommen Muslims wie Erdogan besteht.

Selbst viele AKP-kritische Experten bezweifeln, dass Yalcinkaya in seiner Anklageschrift überzeugende Argumente für eine Verfassungsfeindlichkeit der AKP dargelegt hat. Auch die EU betrachtet das Verfahren gegen die AKP als politische Vendetta. Presseberichten zufolge arbeitet Erdogan bereits am Aufbau einer neuen Partei. Erdogans Karriere wäre nach einem möglichen Politikverbot nicht notwendigerweise zu Ende. Ähnliche Verbote in der Vergangenheit bezogen sich lediglich auf eine parteipolitische Betätigung - in diesem Fall könnte Erdogan bei einer vorgezogenen Neuwahl als unabhängiger Kandidat erneut ins Parlament einziehen und auch wieder Ministerpräsident werden. Umfragen zufolge kann die AKP damit rechnen, auch unter einem neuen Namen die stärkste Kraft der Türkei zu bleiben.

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