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Politik: Entwicklung – wohin?

Die Parteien beraten über neue Bedingungen für deutsche Hilfen an ausländische Regierungen. Mehr Gelder oder mehr Qualität und wie kann man den Demokratisierungsprozess fördern? Diese Fragen beschäftigen die Parteien.

Angesichts der jüngsten Entwicklung in Äthiopien diskutieren die Parteien über die Ausrichtung der deutschen Entwicklungshilfe. Zwar hat Hartwig Fischer (CDU) keine prinzipiellen Bedenken gegen Budgethilfe, die im Falle Äthiopiens als sogenannte Korbfinanzierung gemeinsam mit anderen Gebern geleistet wird. Schließlich sei das auch ein Mittel, um „direkt Einfluss zu nehmen“. Doch der Vertrauensvorschuss, den das Entwicklungsministerium (BMZ) Äthiopien noch vor einem halben Jahr gegeben hat, als die Regierungsverhandlungen mit der Zusage von insgesamt 92 Millionen Euro bis 2011 abgeschlossen wurden, hat sich offenbar nicht ausgezahlt. Und die „stille Diplomatie“ auch nicht, stellt die Grüne Ute Koczy fest. „Jetzt braucht es ein Stoppsignal der Geber.“ Auch für Karl Addicks (FDP) hat die Verabschiedung eines restriktiven Gesetzes zur Kontrolle der Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) mit „guter Regierungsführung, die Voraussetzung für die Budgethilfe ist“, nur wenig zu tun.

In dieser Woche verabschiedete das Parlament in Addis Abeba ein Gesetz, das NGOs, die mehr als zehn Prozent ihrer Einnahmen aus dem Ausland bekommen, als ausländische Organisationen einstuft, denen die Tätigkeit auf den Feldern Menschenrechte, Frauengleichstellung, Kinder- oder Behindertenrechte, demokratische Rechte, Konfliktlösung und Versöhnung sowie Justizwesen oder Strafvollzug verboten wird. Angesichts der Armut in Äthiopien ist es aber nahezu unmöglich, genügend Mittel für diese Arbeit im Land einzuwerben. Christian Peters-Berries, Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Addis Abeba, rechnet deshalb damit, dass eine gemeinsame Vorlesungsreihe mit einer äthiopischen NGO zu „Demokratie und guter Regierungsführung in Afrika“ nicht wird fortgesetzt werden können. Auch die Förderung von Organisationen, die sich für eine Demokratisierung einsetzen, sei nicht mehr möglich, weil damit die Zehn-Prozent-Schwelle überschritten werde. Kirsten Maas-Albert, Afrikareferentin der Stiftung in Berlin, nennt ein Beispiel: Eine Rechtsanwältinnen-Vereinigung, die Frauen im Fall von Zwangsverheiratung oder Vergewaltigung bisher kostenlos beraten hat, kann diese Dienstleistungen nicht mehr anbieten, wenn sie keine Mittel von außen mehr bekommt. Bekommt sie diese Mittel aber weiter, wird ihr die Arbeit verboten.

"Eine gefährliche Entwicklung"

Für Ute Koczy, die sich in einem Papier („Wozu Hilfe für Entwicklung?“) grundsätzlichere Gedanken über die Ausrichtung der künftigen Entwicklungspolitik gemacht hat, ist das eine „gefährliche Entwicklung“. Die Zivilgesellschaft müsse seitens der Entwicklungspolitik stärker gefördert werden, verlangt Koczy. Ohne sie gebe es keine Demokratisierung. Mit Blick auf die Verhaftung von Oppositionsführerin Birtukan Mideksa Ende Dezember sieht Koczy Äthiopien auf der„Rutschbahn zu einer autoritären Regierung“.

Karl Addicks hebt hervor, dass die Erfahrungen mit NGOs in der Entwicklungsarbeit sehr positiv seien. Er hat jedoch prinzipielle Bedenken gegen die derzeitige Ausrichtung der Entwicklungspolitik. Während Ute Koczy angesichts der Folgen des Klimawandels auf viele Entwicklungsländer speziell in Afrika durchaus mehr Geld zur Anpassung an die Erd erwärmung für notwendig hält, verlangt die FDP „mehr Qualität“. Die verspricht sich die Partei von einer Eingliederung des Entwicklungsminsteriums in das Auswärtige Amt und einer Beendigung der Zusammenarbeit mit Schwellenländern. Das hält Koczy für eine kurzsichtige Strategie, gerade mit Blick auf den Klimawandel. Denn eine effizientere Verwendung und klimafreundlichere Erzeugung von Energie gerade in China ist entscheidend, um die Folgen des Wandels in Grenzen zu halten. Koczy befürwortet deshalb auch eine Ausweitung der Budgethilfe, aber nicht, um wie im Falle Äthiopiens die Entwicklungshilfe „zum Vehikel des Machterhalts“ zu machen. Diese dürfe sich „nicht benutzen lassen“. Doch im Prinzip müssten Regierungen stärker in die Verantwortung für die Entwicklung ihrer Länder genommen werden, und dafür könne die Budgethilfe ein geeignetes Mittel sein. Hartwig Fischer sieht das ähnlich, hält es aber für richtig, dass der Haushaltsausschuss in Zukunft Budgethilfen „extra genehmigen“ muss, wie das der Rechnungshof vorgeschlagen hat.

Das Entwicklungsministerium selbst bestreitet, Äthiopien Budgethilfen zu gewähren. In einer Auflistung der Budgethilfe für eine Anhörung des Entwicklungsausschusses zum Thema 2007 tauchte Äthiopien nicht auf. Dagegen wies die Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) in ihrer Bewertung der deutschen Entwicklungshilfe darauf hin, dass Berlin zwischen 2004 und 2007 immerhin 39 Millionen an Äthiopien ausgezahlt habe, es sei „weltweit die höchste bilaterale Budgethilfe Deutschlands“.

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