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Fröhlich ans Werk, aber dann im Dissens: die Kanzlerin und ihr Vizekanzler, der Außenminister und (im Hintergrund) CSU-Mann Gerd Müller.

© dpa

Erbschaftsteuer: CSU und SPD erklären ihren Dissens

Kuriose Kabinettssitzung: Die Regierung beschließt zwar eine Reform der Erbschaftsteuer, bleibt aber uneins. Die CSU verlangt weitere Änderungen - die SPD schließt sie aus.

Die Reform der Erbschaftsteuer bei Unternehmensübergaben wird immer mehr zu einer neuerlichen Belastungsprobe für die schwarz-rote Koalition. Die Kabinettssitzung vom Mittwoch könnte deswegen in die Geschichte eingehen: Zwar beschloss die Bundesregierung den Entwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), doch gaben nicht nur die Minister der CSU eine Protokollerklärung dazu ab, sondern nach Informationen des Tagesspiegels auch die Kabinettsmitglieder der SPD. Solche Protokollerklärungen, die normalerweise eine Nichtübereinstimmung mit Teilen eines Gesetzentwurfs oder einem Beschluss dokumentieren sollen, kommen nur sehr selten vor. Zuletzt wurde über eine solche Erklärung berichtet, als Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) 2007 die Unternehmenssteuerreform von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) kritisch sah. Üblicherweise kommt ein Gesetzentwurf nach der so genannten Ressortabstimmung erst ins Kabinett, wenn Einvernehmen erzielt ist. So ist gesichert, dass die Regierung mit einer einheitlichen Linie in die parlamentarischen Beratungen von Bundestag und Bundesrat gehen. Das tut sie bei der Erbschaftsteuer nun erkennbar nicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte unlängst aber klargestellt, das sie einen Beschluss vor der Sommerpause will.

 Gleich zwei Protokollerklärungen - das ist selten

Die CSU-Minister stimmten zwar dem Schäuble-Entwurf zu, der auf Druck aus Bayern gegenüber den Eckpunkten des Finanzministeriums vom Februar bereits deutlich zugunsten der Unternehmenserben abgemildert worden war. Doch erhoben sie in der Protokollerklärung fünf Forderungen für das weitere Verfahren, die alle auf eine weitere Besserstellung der Erben hinauslaufen. Vor allem die für Familienunternehmen vorgesehenen Regelungen sollen noch stärker den Forderungen der Unternehmerverbände angepasst werden. Unter anderem verlangt die CSU eine Investitionsklausel, wonach „aufgebaute Liquidität“ für größere Investitionen ebenfalls unter das Vermögen fällt, das von der Steuer verschont werden soll. Zudem soll die Unternehmensbewertung verändert werden, um die Erbwerte nicht stärker steigen zu lassen; diese Forderung unterstützt auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder. Sie betrifft allerdings nicht das Erbschaftsteuergesetz, sondern das Bewertungsgesetz – damit kommt ein weiteres Regelwerk in die Mühle des Koalitionsstreits um die Besteuerung von Unternehmenserben.

 SPD hat Verfassungsbedenken

Die SPD machte in ihrer Erklärung deutlich, dass mit ihr weitere Vergünstigungen für die Erben nicht mehr zu machen sind. Diese werfen nach Ansicht der Sozialdemokraten "gravierende verfassungsrechtliche Bedenken" auf. Den Forderungen der CSU wird mehr oder weniger direkt widersprochen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte in seiner Stellungnahme zum Schäuble-Entwurf ebenfalls Verfassungsbedenken geltend gemacht. Zweck von Begünstigungen ist nach sozialdemokratischer Auffassung weniger der Schutz von Vermögen reicher Unternehmer als der Schutz von Arbeitsplätzen in den Betrieben.

Die SPD hatte ursprünglich die Linie vertreten, dass der Kabinettentwurf nicht hinter die Vorschläge in Schäubles Eckpunkten vom Februar zurückfallen dürfe. In den weiteren Gesprächen konnte die CSU jedoch Zugeständnisse herausverhandeln. Diese führten zu Unmut in der SPD-Fraktion. Zuletzt wurde schon nicht mehr innerhalb der Regierung verhandelt, sondern zwischen den führenden Finanzpolitikern von CDU, CSU und SPD – Ralf Brinkhaus, Gerda Hasselfeldt, Carsten Schneider - mit Schäubles Parlamentarischem Staatssekretär Michael Meister (CDU). Das parlamentarische Verfahren begann somit informell bereits, bevor die Bundesregierung ihren Beschluss fasste. In einem Brief an seine SPD-Fraktionskollegen schreibt Schneider, in den Gesprächen sei es gelungen, auch Verbesserungen aus sozialdemokratischer Sicht zu erreichen. So ist die Steuerbelastung sehr großer Vermögen etwas höher als von Schäuble vorgesehen. Wichtig sei, dass es jetzt eine Grundlage für die Beratungen im Bundestag gebe; die SPD wolle „zügig Rechtssicherheit für die Unternehmen schaffen“.

Opposition kritisiert Entwurf

Die verfassungsrechtlichen Bedenken der SPD teilt auch die Grünen-Fraktion. „Die Befreiungen für große Vermögen sind so weitgehend, dass ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestehen", sagte die Steuerpolitikerin Lisa Paus. "Eine rechtssichere Lösung für das Vererben von Betrieben sieht anders aus." Die große Koalition verabschiede sich von der Steuervereinfachung. "Mit den hoch komplizierten Regelungen ist der Gesetzentwurf eine Einladung zur Steuergestaltung." Richard Pitterle, Steuerpolitiker der Linken, sagte: "Die Reform der Erbschaftsteuer verkommt zur absoluten Farce." Eigentlich habe das Bundesverfassungsgericht verlangt, die weitreichenden Verschonungsregeln für Betriebsvermögen deutlich einzudampfen. "Was die Bundesregierung jetzt unter dem Druck der Unternehmenslobby fabriziert hat, dürfte jedoch in naher Zukunft erneut in Karlsruhe landen", meinte Pitterle. Der Bund der Steuerzahler kritisierte, der Entwurf sei zu bürokratisch - vor allem für kleine und mittlere Betriebe.

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