zum Hauptinhalt

Politik: Erdogan kündigt Ende der „Toleranz“ an

Polizeieinsatz in Istanbul stellt Gespräche infrage – Sicherheitskräfte räumen Taksim-Platz.

Neue Auseinandersetzungen zwischen der türkischen Polizei und Demonstranten in Istanbul haben das für diesen Mittwoch geplante Treffen von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Vertretern der Protestbewegung infrage gestellt. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Tränengas massiv gegen Demonstranten auf dem zentralen Taksim-Platz vor; die Auseinandersetzungen setzten sich bis in den Abend hinein fort. Erdogan selbst drohte mit einer Räumung des nahegelegenen Gezi-Parks, dem Zentrum der schwersten regierungsfeindlichen Proteste in der Türkei seit Jahren, bei denen bisher vier Menschen starben und fast 5000 verletzt wurden.

Die Polizei rückte am frühen Morgen auf den Taksim-Platz vor, der seit dem 1. Juni in der Hand der Demonstranten war. Einige Demonstranten bewarfen die Sicherheitskräfte mit Brandsätzen und Steinen. Die Polizei räumte den Platz, sah sich aber anhaltendem Widerstand gegenüber. Nach Behördenangaben wurden 70 Mitglieder einer kleinen Linkspartei festgenommen, die für die Brandsätze verantwortlich gewesen sein soll.

Nach einer Phase relativer Ruhe brachen am Nachmittag neue Auseinandersetzungen am Rand des Gezi-Parks aus. Insgesamt war der Polizeieinsatz zunächst weniger brutal als in den ersten Tagen der Unruhen. Am Abend sammelten sich erneut Demonstranten auf dem Taksim-Platz, und die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein.

Mit dem Widerstand setzten sich die Demonstranten über eine Aufforderung von Erdogan hinweg, die Proteste abzubrechen. Seine Regierung sei offen für legitime Forderungen, werde aber keine Gewalt mehr tolerieren. „Die Sache ist zu Ende, es gibt ab jetzt kein Nachsehen mehr“, sagte der Ministerpräsident, das „Ende der Toleranz“ sei erreicht. Viele Demonstranten fasst dies als Ankündigung eines Sturms der Polizei auf den Gezi-Park auf, der am Dienstag weiter in der Hand der Demonstranten blieb. Eine Aktion von Umweltschützern gegen ein Bauprojekt in dem Park hatte am 31. Mai die Unruhen ausgelöst. Seitdem halten sich dort mehrere tausend Aktivisten auf, um eine Einnahme des Parks durch die Polizei zu verhindern.

Die Behörden versicherten den Demonstranten mehrmals, eine Attacke auf den Gezi-Park sei nicht geplant. Das Vorgehen der Polizei auf dem Taksim ließ aber viele Demonstranten an dieser Zusage zweifeln. Auch fernab vom Taksim eskalierten die Spannungen. Am Istanbuler Justizpalast nahm die Polizei rund 50 Anwälte fest, die eine Aktion zur Unterstützung der Protestbewegung starten wollten. Dabei gingen die Beamten teilweise sehr grob gegen die Anwälte vor.

Erdogan hatte am Montag sein Gespräch mit Abgesandten der Demonstranten ankündigen lassen. Eine Gruppe von 19 Akademikern, Umweltschützern, Studenten und Künstlern wird heute beim Ministerpräsidenten erwartet.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false