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Um die Energiewende zu schaffen, müssten die Dächer in Deutschland voller Photovoltaikanlagen sein.

© Nestor Bachmann/picture alliance

Erneuerbare Energie: Grüne wollen EU für mehr Bürgerenergie in Bewegung setzen

Europaparlamentarier Giegold fordert die EU-Kommission auf, gegen die geplante Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aktiv zu werden.

Unzufrieden mit den Regeln zur Bürgerenergie in der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sind mehrere Interessengruppen. Die stärkste Kritik kommt von den Grünen im Europaparlament. Sie wollen auf ein EU-Vertragsverletzungsverfahren drängen, falls das Wirtschaftsministerium den Entwurf nicht verbessert.

Der deutsche EEG-Entwurf setze die 2018 beschlossene Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU weder nach Geist noch nach Buchstaben um, meint der Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament, Sven Giegold. „Leider widerspricht der Gesetzentwurf den Bestimmungen der Richtlinie gerade im Hinblick auf die Bürgerenergie“, schreibt er an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Energiekommissarin Kadri Simson.

Die Richtlinie muss bis Juni 2021 in deutsches Recht umgesetzt sein. In seinem Brief nennt Giegold folgende Kritikpunkte:

1.           Laut Gesetzentwurf der Bundesregierung müssen Bürgeri*innen in Zukunft ein intelligentes Messsystem einbauen, wenn die Anlage mehr als ein Kilowatt Leistung hat. Dies verursache zusätzliche und unverhältnismäßige Kosten, die gerade bei kleineren Anlagen dazu führen könnten, dass der Betrieb einer Solaranlage sich nicht mehr lohne. Selbst die Clearingstelle EEG halte dies bei kleinen Anlagen für überzogen.

2.           Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht auch für EEG-Anlagen nach Ende der 20-jährigen Förderung den Einbau eines intelligenten Messsystems vor, wenn die Betreiber*innen ihre Anlage von Einspeisung auf Eigenverbrauch umrüsten wollen. Darüber hinaus müssen die Betreiber EEG-Umlage auf ihren Eigenverbrauch zahlen – unabhängig von der Größe der PV-Anlage. Damit würden Betreiber von Altanlagen, die ihren Strom selbst nutzen möchten, doppelt zusätzlich belastet.

3.           Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass der Verkauf von Strom an Mieter*innen und Nachbarn mit dem vollen Satz der EEG-Umlage belastet wird, auch wenn er nicht durch ein Stromnetz geleitet wird. Der Verkaufspreis von auf dem Dach erzeugtem Solarstrom, der in der Erzeugung rund acht Cent pro Kilowattstunde kostet, erhöhe sich infolge der EEG-Umlage um mehr als 80 Prozent.

4.           Der Entwurf erlaubt es Wohnungseigentümergesellschaften weiterhin nicht, als Eigenverbraucher zu gelten. Sie müssen deshalb die volle EEG-Umlage zahlen. Das behindere den Ausbau der erneuerbaren Bürgerenergie.

5.           Der Entwurf sieht nur eine Ausnahme von Abgaben für Anlagen bis 20 Kilowatt Leistung vor. EU-Recht besagt aber, dass Anlagen bis 30 Kilowatt Leistung von Abgaben ausgenommen sein sollen.

Dem europäischen Green Deal, dem Klimaschutz und der Bürgerenergie würden so Steine in den Weg gelegt, fasst Giegold zusammen. „Ich möchte Sie bitten, den Gesetzentwurf gründlich zu prüfen und schon in dieser frühen Phase vor dem endgültigen Beschluss durch den deutschen Gesetzgeber aktiv zu werden“, appelliert er an Simson und von der Leyen. Er bittet sie, zu den zuständigen Ministerien in Berlin Kontakt aufzunehmen und auf die Schwachstellen des Gesetzes aus der Sicht des EU-Rechts hinzuweisen. Sollte es bei dem schlechten Gesetzentwurf bleiben, so Giegold abschließend, würden die Grünen im Europaparlament alles tun, um auf ein Vertragsverletzungsverfahren zu drängen.

Erlaubte Förderung dürfte großzügiger ausfallen

Mit ihrer Kritik stehen die Grünen nicht allein da. Zufällig wies am gleichen Tag der Bundesverband Solarwirtschaft auf die Gefahr eines Investitionsrückgangs bei gewerblichen Solardächern hin. In einer gemeinsamen Mitteilung mit dem Handelsverband Deutschland und dem Marktforschungsinstitut EuPD Research warnt der BSW vor einem Marktdämpfer für den Photovoltaikzubau in Höhe von 4,2 Gigawatt bis zum Jahr 2030. Zum Vergleich: In Deutschland sind zurzeit 49 Gigawattt installiert.

Ursache sind Pläne zur Umstellung des Fördersystems auf Ausschreibungen für neue Photovoltaikdächer oberhalb einer Leistungsklasse von einem 500 Kilowatt. Bisher erhalten sie eine feste Marktprämie bis zu einer Leistung von 750 Kilowatt. Das neue EEG hält weitere Verschlechterungen bereit: Der anteilige Eigenverbrauch des selbst erzeugten Solarstroms, für viele Unternehmer der eigentliche Grund zur Investition in eine Solaranlage, soll unterbunden werden, so der BSW weiter.

Dies dürfte zu einer weiteren Verschlechterung der Rahmenbedingungen für die an sich vielversprechende Photovoltaik auf Gewerbedächern führen. Deshalb haben sich neben dem BSW die Branchenverbände DIHK, VKU, VDI und BVMW, der Mittelstandsverband, die Verbraucherzentrale Bundesverband und der Handelsverband gegen die Regelung ausgesprochen. Letzterer fordert sogar die Anhebung der Grenze für einen feste Vergütung ohne Teilnahme an Ausschreibungen auf ein Megawatt.

Sven Giegold, Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften kommen nicht vor

Diese Zahl ist nicht zufällig gewählt, wie Malte Zieher vom Vorstand des Bündnis Bürgerenergie berichtet: Die EU-Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen erlauben nämlich Beihilfen ohne Ausschreibung bis zu einer Kapazität von einem Megawatt. Insgesamt fragt sich Zieher, wie das Bundeswirtschaftsministerium glauben könne, dass mit dem EEG die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU umgesetzt werde. Seiner Ansicht nach wird das „mit dem Einfügen einer entsprechenden Fußnote nur suggeriert“.

Zieher begründet das auch mit den „vielen Leerstellen“, die das Ministerium lasse. So gebe es noch gar keine Regelungen für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften, die mehrere Anlagen betreiben. Die EU-Richtlinie sieht vor, dass diesen Gemeinschaften die Versorgung ihrer Mitglieder per Energy Sharing ermöglicht werden muss. So eine Regelung gebe es im EEG noch gar nicht, kritisiert Zieher. Er hält es für unrealistisch, dass sich dafür noch eine Gelegenheit vor Ablauf der Frist im kommenden Juni ergibt.

Räumliche Nähe und räumlicher Zusammenhang nicht definiert

In eine ähnliche Richtung geht die Kritik des Anwalts für Energierecht Dirk Legler. Er vermisst eine einheitliche Definition des Quartiersbegriffs im EEG. Dort wird eine „unmittelbare räumliche Nähe“ oder ein „unmittelbarer räumlicher Zusammenhang“ gefordert, um Förderungen oder eine Reduzierung der EEG-Umlage zu erhalten. Diese unterschiedlichen, weitestgehend unbestimmten Rechtsbegriffe würden Planungs- und Rechtsunsicherheit nach sich ziehen, weiß Legler aus Erfahrung. „Die nach dem Klimaschutzgesetz sowie den völker- und europarechtlichen Vorgaben dringend gebotene Aufgabe der gewaltigen Reduktion der Treibhausgase im Gebäudesektor wird dadurch nicht einfacher“, sagte Legler. Dabei wäre es ein Leichtes, das im EEG 2021 zu korrigieren.

Das Bundeswirtschaftsministerium sieht das alles ganz anders: Die Anreize für Mieterstrom und die Rahmenbedingungen für Eigenstromerzeugung würden verbessert, heißt es auf seiner Website.

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