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Politik: EU-Erweiterung: Verheugen macht Tempo

Die Europäische Kommission will die Verhandlungen mit den am weitesten fortgeschrittenen Beitrittskandidaten im Jahr 2002 abschließen. Die Kommission bleibt damit bei dem auf dem EU-Gipfel in Helsinki im vergangenen Dezember ins Auge gefassten Zeitplan für die EU-Erweiterung.

Die Europäische Kommission will die Verhandlungen mit den am weitesten fortgeschrittenen Beitrittskandidaten im Jahr 2002 abschließen. Die Kommission bleibt damit bei dem auf dem EU-Gipfel in Helsinki im vergangenen Dezember ins Auge gefassten Zeitplan für die EU-Erweiterung. Nach den Verhandlungen müssen die Beitrittsverträge abgeschlossen und in den Nationalstaaten ratifiziert werden. Da dies erhebliche Zeit in Anspruch nehmen wird, wird es frühestens 2004 zur Aufnahme neuer Mitglieder kommen.

Der für die Erweiterung der EU zuständige Brüsseler Kommissar Günter Verheugen veröffentlichte am Mittwoch neben den Fortschrittsberichten für den Stand der Vorbereitungen in den einzelnen Bewerberstaaten auch seine Strategie für die weiteren Verhandlungen. Verheugen hofft, dass der größte Teil der zu verhandelnden Themen bis Anfang 2002 abgeschlossen sein kann. Dann soll es um die konfliktreichsten Bereiche gehen, die konkrete Auswirkungen auf den EU-Haushalt haben und für die Übergangsregelungen nötig sein werden. Dazu gehören die Agrar- und die Strukturpolitik, also die Regionalförderung der EU.

Nach den Fortschrittsberichten der Kommission erfüllen die Kandidaten die Voraussetzungen für einen Beitritt in sehr unterschiedlichem Maße. Während Zypern, Malta, Estland, Ungarn und Polen die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Beitritt am ehesten verwirklichen, haben Rumänien und Bulgarien keine Chance, die Verhandlungen bis 2002 abzuschließen. Da die Türkei noch nicht einmal die politischen Aufnahmekriterien von Kopenhagen erfüllt, also die Beachtung der Menschen- und Minderheitenrechte, werden keine Beitrittsverhandlungen mit Ankara aufgenommen.

Die EU verhandelt bereits seit zwei Jahren mit Polen, Ungarn, Tschechien, Slowenien, Estland und Zypern, und seit einem Jahr mit Malta, Lettland, Litauen, der Slowakei, Rumänien und Bulgarien. Ziel der Verhandlungen ist es, dass die Beitrittsstaaten das Rechts- und Wirtschaftssystem der EU in ihr innerstaatliches Recht übernehmen können. Außerdem müssen sie ihre Wettbewerbsfähigkeit nachweisen. Insgesamt sieht die EU-Kommission zwar erhebliche Fortschritte bei der Erfüllung der politischen Kriterien, was die Reform des Justizwesens und den Menschenrechtsschutz angeht.

Ernsthafte Probleme bereitet jedoch die Tatsache, dass in vielen Kandidatenländern immer noch Korruption und Wirtschaftskriminalität, Frauen- und Kinderhandel sowie die Unterdrückung von Minderheiten an der Tagesordnung sind. In Rumänien haben sich die Lebensbedingungen von mehr als 100 000 Waisenkindern noch nicht verbessert. Hier pocht die EU-Kommission weiter auf politische Veränderungen und auf die bessere Umsetzung des formal bereits übernommenen neuen Rechtsrahmens.

Positiv registriert die EU Fortschritte in einzelnen Punkten, beispielsweise der Integration ausländischer Staatsbürger, unter anderem der großen russischen Minderheit in Estland und Lettland. Auch bei der Erfüllung der wirtschaftlichen Kriterien vermitteln die Fortschrittsberichte ein insgesamt positives Bild. Die Kandidatenländer müssen nachweisen, über eine funktionierende Marktwirtschaft zu verfügen. Zypern und Malta erfüllen die Kriterien. Estland, Polen, die Tschechische Republik, Slowenien und Ungarn gelten als funktionierende Marktwirtschaften, die auch das zweite Kriterium der Wettbewerbsfähigkeit in "naher Zukunft" erfüllen können.

Die EU-Kommission will den Mitgliedsländern eine Beitrittspartnerschaft mit der Türkei vorschlagen. Das heißt, dass sie eine Liste von politischen, rechtlichen und ökonomischen Kriterien formuliert, die die Türkei vor den Beitrittsverhandlungen erfüllen muss. Zu den politischen Kriterien gehört die Abschaffung der Todesstrafe und der Folter, die Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit sowie die Gewährung kultureller Rechte für ethnische Minderheiten.

EU-Kommissar Verheugen kritisierte am Mittwoch die verfassungsmäßig verankerte Rolle, die die Armee durch den Nationalen Sicherheitsrat im politischen Leben spielt. Er sagte vor dem Europäischen Parlament, "die Lage der Kurden muss verbessert, der Ausnahmezustand in den verbleibenden vier Provinzen im Südosten aufgehoben werden". Im Vorfeld war bekannt geworden, dass die EU-Beamten Forderungen türkischer Diplomaten nachgegeben und auf das Wort "Kurden" verzichtet hätten. Gefordert werden die Beendigung der Folter und die Gewährung der politischen Freiheiten und Minderheitenrechte. Die EU-Kommission erkennt jedoch an, dass die Debatte über den EU-Beitritt die Reformkräfte der Türkei unterstützt hat. Verheugen sagte, er hoffe jetzt auf ein positives Signal aus der Türkei.

Mariele Schulze Berndt

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