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EU-Haushalt bis 2020: Wer bekommt welche Gelder?

Hohe Beamtengehälter, unzeitgemäße Agrarsubventionen, betrügerische Strukturmittelempfänger – das ist die die negative Seite des EU-Haushalts, der am Donnerstag und Freitag für die nächsten Jahre verhandelt wird. Das Brüsseler Budget fördert aber auch die Forschung, vernetzt Europa und hilft in Entwicklungsländern. Ein Überblick.

Strukturförderung

Die EU teilt sich in 27 Mitgliedstaaten auf – oder in 271 Regionen, die auch künftig alle Brüsseler Fördermittel beantragen können. Ein Vorstoß, dass reiche Bundesländer wie etwa Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz künftig kein Geld mehr aus dem Topf für regionale Wettbewerbsfähigkeit und Entwicklung bekommen sollten, scheiterte schon im Zuge der Vorgespräche. Projekte wie die mit knapp sieben Millionen Euro geförderte Kooperation der Universitäten in Kaiserslautern, Trier und dem Saarland mit denen in Lüttich, Metz und Luxemburg werden also auch weiter möglich sein.

Neu aber wird künftig sein, dass die Mitgliedstaaten nicht mehr querbeet alles fördern können. Stattdessen muss ein Projekt genauer den Anforderungen der sogenannten EU2020-Wachstumsstrategie dienen. Als Konsequenz daraus, dass in der Vergangenheit viele Fördermilliarden etwa in Griechenland oder Süditalien ergebnislos verpufft sind, müssen die Regionen künftig in Verträgen mit der EU-Kommission messbare Ziele ausgeben. Wenn sie nicht erfüllt werden, fließt ein Teil des Geldes nicht. „Wir haben unsere Lektion gelernt“, sagt EU-Regionalkommissar Johannes Hahn. Sein Etat bleibt aber der größte Brocken im EU-Haushalt. 348 Milliarden Euro waren es in den vergangenen sieben Jahren, der aktuelle Kompromissvorschlag von Ratschef Herman Van Rompuy sieht 320 Milliarden Euro vor – im Gegensatz zu den 378 Milliarden Euro, welche die EU-Kommission gefordert hatte.

Forschung, Infrastruktur und Wettbewerbsfähigkeit

Besonders verärgert sind viele Beobachter angesichts des aktuellen Verhandlungsstands beim Haushaltsposten 1a. Er steht für die Forschungsförderung, den Ausbau der europäischen Netze im Energie-, Telekommunikations- und Verkehrssektor, Berufsbildung sowie die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen, mithin also für potenzielles Wachstum. „Dort liegt die Zukunft“, sagte Frankreichs Präsident Francois Hollande gestern im Europaparlament, das sich ebenfalls nichts von den 156 Milliarden Euro wegstreichen will, die die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Bei Van Rompuy sind es gegenwärtig nur noch 139 Milliarden Euro. Von echten Kürzungen kann allerdings keine Rede sein, weil in der nun zu Ende gehenden Finanzperiode lediglich 90 Milliarden für diesen Bereich vorgesehen waren.

Die EU-Kommission weist darauf hin, dass Deutschland von diesen Etats überdurchschnittlich profitiert. Von den vier größten Einzelempfängern europäischer Forschungsgelder stammen zwei aus der Bundesrepublik. Die Fraunhofer-Gesellschaft auf Platz 2 kassierte von 2007 bis heute nach Angaben der EU-Kommission 315 Millionen Euro, die Max-Planck-Gesellschaft auf Platz 4 245 Millionen Euro. Das Karlsruher Institut für Technologie liegt mit 78 Millionen Euro auf Platz 30, die Uni Stuttgart mit 56 Millionen Euro auf Platz 57.

Von jedem Euro überdurchschnittlich viel abbekommen dürfte Deutschland auch vom neuen Infrastrukturfonds, den es unter dieser Rubrik geben soll. Geographisch in der Mitte des Kontinents gelegen, führen besonders viele „Fäden“ des europäischen Netzes durch die Bundesrepublik – ob Stromleitungen, Straßen, Schienen oder Datenautobahnen. 41 Milliarden Euro sind dafür im aktuellen Van-Rompuy-Vorschlag vorgesehen, mit 26 Milliarden mit Abstand am meisten für den Verkehrssektor. Das sind bereits fünf Milliarden weniger als die Kommission als nötig erachtet hatte, die weitere Kürzungen befürchtet. „Das gefährdet einige Großprojekte“, sagt ein hochrangiger Kommissionsmitarbeiter, „bei der neuen Rheintalstrecke dürfte es für uns schwierig werden, weiterhin 30 oder 40 Prozent zu finanzieren.“

Sicherheit, Verbraucherschutz, Unionsbürgerschaft

Mit 16 Milliarden ist dieser noch junge gemeinsame Politikbereich der EU auch finanziell relativ klein ausgestattet. Finanziert werden hiermit die behördliche Zusammenarbeit etwa beim EU-Grenzschutz, aber auch die Agentur für Lebensmittelsicherheit.

Auch um die Gehälter von EU-Beamten wird es gehen

Außenpolitik

Die Europäische Union ist der bedeutendste Entwicklungshelfer weltweit. Dazu tragen die Mitgliedstaaten einzeln, aber auch das gemeinsame Budget bei. 20 Milliarden Euro hat die Kommission dafür gefordert, bei den absehbaren Kürzungen wird es wohl weniger werden. Dies wird vermutlich auch die humanitäre Hilfe im Katastrophenfall betreffen, was die zuständige Kommissarin Kristalina Georgieva scharf kritisiert. „Humanitäre Hilfe macht 0,62 Prozent des Budgets aus, aber damit können wir 150 000 Menschen im Jahr helfen.“ Auch die Unterstützung der europäischen Nachbarländer sowie der EU-Beitrittskandidaten auf ihrem Annäherungskurs ist in diesem Etatposten mit niedrig zweistelligen Milliardenbeträgen enthalten.

Verwaltung

Die Kosten für den europäischen Apparat werden bei den Gipfelgesprächen eine wichtige Rolle spielen. Mit einem Anteil von sechs Prozent am Gesamtetat ist die europäische Verwaltung einerseits ziemlich schlank, in Deutschland liegt der Anteil bei knapp acht Prozent, in Frankreich bei mehr als 13 Prozent. Andererseits führen nationale und regionale Behörden viele europäische Aufgaben durch – weshalb die Zahlen so oder so interpretiert werden können. Fakt ist, dass derzeit über ein neues Beamtenstatut verhandelt wird, der Gesetzgebungsprozess aber ins Stocken geraten ist. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, dass die Arbeitszeit für die knapp 46 000 Menschen, die inzwischen für Europas Institutionen arbeiten, von derzeit 37,5 Wochenstunden auf 40 Stunden steigen soll. Damit sollen fünf Prozent des Personals eingespart werden. „Das Streichangebot“, kritisiert jedoch die Heidenheimer CDU-Europaabgeordnete Inge Gräßle, „deckt nicht einmal die Stellen, die durch die Ausdehnung der Arbeitszeit gewonnen werden. Beides ist ein Beleg, dass die EU zu viele Stellen hat. Ein besonderer Sparwillen ist nicht zu erkennen.“ Mehr als großzügige Regelungen zum Freizeitausgleich, Heimfahrten ins Heimatland oder automatische Beförderungen tun ein Übriges, um das Bild des nimmersatten Eurokraten zu nähren.

Heftig umstritten ist in den vergangenen Tagen vor allem die Frage gewesen, ob tatsächlich hunderte oder gar tausende EU-Beamte mehr verdienen als die Bundeskanzlerin. Die EU-Kommission versichert, dies sei nicht der Fall: Ein von der Abgeordneten Gräßle angestellter Gehaltsvergleich, so ein Sprecher, „vergleicht Äpfel mit Birnen“. Man könne nicht bei den einen Zulagen weglassen und bei den europäischen Angestellte hinzuaddieren. Unabhängig davon, dass sich genaue Zahlen wegen des extrem komplexen Beamtenstatuts kaum eigenhändig ermitteln lassen, bewegen sich aber allein schon die Grundgehälter in sehr hohen Regionen. Bereits ab dem 11. von 16 Dienstgraden erhalten EU-Beamte mehr als 10000 Euro brutto – sehr viel Geld, auch wenn es wie in Deutschland kein Weihnachts- und Urlaubsgeld gibt. Die höchste Gehaltsstufe liegt bei mehr als 18000 Euro für Generaldirektoren, was mehr als das Grundgehalt der Kanzlerin ist. Die EU-Kommission legt freilich ihre Gehälter nicht selbst fest, das machen das Europaparlament und die Mitgliedstaaten, die vielleicht schon bei diesem Gipfel den Rotstift ansetzen werden.

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