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Politik: EU-Kommission: Fraktion der Feinde

Seit knapp zwei Jahren ist Romano Prodi im Amt, und in dieser Zeit hat der EU-Kommissionspräsident schon so manchen Sturm erlebt. Als der Italiener der Brüsseler Kommissionsbehörde eine neue Organisationsstruktur verpasste, rief er die EU-Beamten auf den Plan.

Seit knapp zwei Jahren ist Romano Prodi im Amt, und in dieser Zeit hat der EU-Kommissionspräsident schon so manchen Sturm erlebt. Als der Italiener der Brüsseler Kommissionsbehörde eine neue Organisationsstruktur verpasste, rief er die EU-Beamten auf den Plan. Dann musste er sich dem Druck der Staats- und Regierungschefs beugen, die der EU-Kommission Kompetenzen - etwa bei der Balkanhilfe - streitig machten. In der vergangenen Woche schien dann der Gipfel erreicht, als Prodi sich seine eigenen Gedanken über den Vertrag von Nizza machte, den die Regierungschefs zuvor mühsam ausgehandelt hatten. Der Nizza-Vertrag sei nicht unbedingt eine juristische Voraussetzung für die EU-Erweiterung, erklärte der Kommissionschef. Zuvor hatte stets das Gegenteil gegolten: Mit dem Vertrag von Nizza will sich die EU mit inneren Reformen auf die Erweiterung vorbereiten.

Prodis Äußerung, die als Reaktion auf das eigensinnige "Nein" der Iren zum Nizza-Vertrag gedacht war, hat ihm neue politische Gegner beschert - diesmal im Europaparlament. Portugals Regierungschef Guterres hat Prodi in der Vergangenheit mehrfach mangelndes Durchsetzungsvermögen vorgeworfen. Jetzt legt die Europaabgeordnete Dagmar Roth-Behrendt nach: "Seit er im Amt ist, vermisse ich bei Prodi Gestaltungswillen, Lenkungsfähigkeit und Vision", sagte die umweltpolitische Sprecherin der sozialdemokratischen SPE-Fraktion dem Tagesspiegel. "Prodi ist bestimmt kein schlechter Europäer, und er mag auch in Italien ein guter Ministerpräsident gewesen sein." In Brüssel, so Roth-Behrendt, vermittele der Italiener aber das Bild eines "netten Professors, der vor sich hinwurstelt." Fazit: Prodi sei "völlig ungeeignet für seinen Job".

Sparsamer geht Roth-Behrendts Fraktionskollege Klaus Hänsch mit seiner Kritik an Prodi um. Der Europaabgeordnete sieht keinen Grund, an Prodis "genereller Eignung zu zweifeln". Allerdings hält auch er die Äußerung des Kommissionschefs zum Nizza-Vertrag für einen "politischen Blackout". Die Mehrheit der SPE-Fraktion befürworte eine Ratifizierung des Nizza Vertrages - trotz aller Mängel des Vertragswerkes, das etwa den Prozess der Mehrheitsfindung im Ministerrat noch weiter verkompliziert.

Zu den schärfsten Kritikern des Nizza-Vertrages gehört der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU). Prodi habe lediglich ausgesprochen, dass es juristisch einen anderen Weg geben müsse, falls der Vertrag nicht ratifizierbar sei, findet Brok. "Es muss seriös eine Alternative zu Nizza aufgestellt werden, um den Beitrittskandidaten Sicherheit zu geben." Der harschen Kritik an dem Kommissionspräsidenten mag sich Brok daher nicht anschließen: Der Italiener habe mit seiner Äußerung zum Vertragswerk "Positivpunkte im Parlament gesammelt".

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