zum Hauptinhalt
Kanzler Sebastian Kurz hat mit dem FPÖ-Chef Christian Strache einen Rechtspopulisten zum Koalitionspartner.

© Roland Schlager, AFP

EU: Österreich übernimmt die Ratspräsidentschaft

Österreich übernimmt am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft. Bundeskanzler Sebastian Kurz arbeitet gleichzeitig daran, die neue europäische Rechte anzuführen.

Mit heimischem Kleinzeug gibt er sich zurzeit nicht mehr ab. Sebastian Kurz reist. Berlin, Jerusalem, Brüssel, Budapest – rastlos sucht der junge österreichische Kanzler, 31, seinen Platz auf der europäischen Bühne. Das zweite Halbjahr 2018 soll die Vollendung bringen, dann übernimmt Österreich turnusgemäß den EU-Vorsitz und davon verspricht sich der Jungstar viel.

Schon die Stabübergabe am Samstag fällt spektakulär aus: Der bulgarische Premierminister und EU-Vorsitzende im ersten Halbjahr, Bojko Borissow, wird im Gipfelhaus der Planai, einem fast 2000 Meter hohen Berg beim steirischen Schladming, Kurz symbolisch das hohe Amt übergeben. Auf das Volk wartet am Berg ein ganztägiges „Gipfelpicknick“ mit Speckbroten. Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk wird zu der Sause hoch droben erwartet.

Das Thema Migration bestimmt die Debatten

Kurz und sein PR-Stab wissen, was die Leute mögen. In den Umfragen liegt die dereinst christlich-soziale, inzwischen von Kurz aber auf rechtspopulistischen Kurs getrimmte ÖVP derzeit bei rund 33 Prozent und damit knapp über dem Wahlergebnis vom vergangenen Oktober. Die in Teilen rechtsradikale FPÖ, Koalitionspartner von Kurz, kann ihr Oktober-Ergebnis von 25 Prozent einigermaßen halten.

Denn noch immer wird die Debatte von jenem Thema bestimmt, mit dem Kurz die Wahlen gewonnen hat: Migration. Auch wenn die Zahl der Asylanträge in Österreich gegenüber dem Vorjahr um 42 Prozent gesunken ist, vergeht kaum ein Tag, an dem das rechte Regierungsbündnis nicht aufgeregt neue Ideen präsentiert: Kurz will eine gefährliche „Albanienroute“ entdeckt haben, FPÖ-Verteidigungsminister Mario Kunasek möchte Soldaten an die EU-Außengrenzen schicken, Innenminister Herbert Kickl probt an der slowenischen Grenze den Abwehrkampf, Vizekanzler Heinz Christian Strache (FPÖ) eilte zum neuen italienischen Innenminister Matteo Salvini und postete Selfies mit dem rechten Lega-Mann.

Die AfD plakatiert bereits mit Kurz

Der Bundeskanzler arbeitet derweil daran, ein Anführer der neuen europäischen Rechten zu werden. Bei einem Berlin-Besuch stellte er sich demonstrativ an die Seite Horst Seehofers in dessen Streit mit Angela Merkel und verkündete geschichtsvergessen eine neue „Achse Berlin-Wien-Rom“. Unmittelbar danach traf er die in Sachen Europa bockigen Regierungschefs der sogenannten Visegrad-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei und stimmte ihnen in praktisch jedem Punkt zu.

Bei Europas Rechten ist er bereits eine zumindest mittelgroße Nummer. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kündigte an, bei seiner Wahlkampf-Schlusskundgebung den österreichischen Kanzler und nicht die deutsche Kanzlerin auftreten zu lassen. Auch ganz rechts kommt Kurz an. AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen plakatiert derzeit in Bayern: „Unsere Freunde heißen Kurz, Strache, Orban und Salvini. Die CSU stimmt im EU-Parlament mit Rot-Grün für MEHR Migration!“

Brüchiges Bündnis

Tragfähig ist diese informelle Koalition von Europas Nationalisten freilich nicht. Italiens Salvini will das Dublin-Abkommen abschaffen, Ungarns Premier Orban will daran festhalten und sich keine Flüchtlinge per EU-Quote zuteilen lassen. Österreich kann kein Interesse daran haben, dass Seehofer Flüchtlinge an der deutschen Außengrenze abweist und droht für diesen Fall mit Schikanen an der Brenner-Grenze.

Wie ja nationalistische Politik nur schwer bündnisfähig ist. So kuschelt Kanzler Kurz zwar mit den Visegrad-Staaten, will den meist aus der Slowakei, Polen und Ungarn stammenden Altenpflegerinnen in Österreich aber nur noch eine gekürzte Familienbeihilfe für zu Hause gebliebene Kinder auszahlen. Kaum denkbar, dass eine solche Regelung vor dem Europäischen Gerichtshof Bestand hat.

Demonstration gegen die Sozialpolitik

Dazu kommt, dass es auch zu Hause immer öfter Zoff gibt. So ließ FPÖ-Innenminister Kickl in einer Nacht-und Nebelaktion die Büros des österreichischen Verfassungsschutzes stürmen, um diesen zu „säubern“, wie es intern hieß. Betroffen davon waren vor allem ÖVP-Leute. Unauffällig ließ man bei der Hausdurchsuchung auch die Akten der Rechtsradikalen-Kartei mitgehen. Am heikelsten ist allerdings eine Gesetzesvorlage, wonach künftig „freiwillig“ zwölf Stunden am Tag, 60 Stunden pro Woche gearbeitet werden kann. Am Samstag werden in Wien mehr als 100.000 Demonstranten gegen die Sozialpolitik des Kurz-Kabinetts erwartet.

Herbert Lackner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false