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Orban im EU-Parlament

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EU-Parlament debattiert über Ungarn: Leviten lesen

Ungarns Regierungspolitik ist mit den europäischen Werten unvereinbar - zu diesem Schluss kommt ein Bericht des portugiesischen Grünen-Europaabgeordneten Tavares. Ungarns Premier Orban hält den Bericht für "beleidigend".

„Nehmen wir Menschenrechte noch ernst?“ Diese Frage stellte der Europaabgeordnete Rui Tavares am Dienstag im EU-Parlament in Straßburg und schaute dabei Ungarns Regierungschef Viktor Orban direkt an. Der war erschienen, um seine Politik zu verteidigen. Die Liste der Vorwürfe gegen ihn ist lang: Seit dem Wahlsieg seiner Fidesz im Jahr 2010 hat die nationalkonservative Partei mit Hilfe ihrer Zweidrittelmehrheit im Parlament bisher unter anderem die ungarische Verfassung geändert, das Verfassungsgericht geschwächt und das Haushaltsrecht des Parlaments eingeschränkt. Orban hat eine Behörde gegründet, die die Medien im Land kontrolliert. Auf die vielfachen Ermahnungen durch europäische Institutionen hat er bisher nur teilweise reagiert. Dass die Beschlüsse des Parlaments in Budapest sowohl Ungarn als auch die EU als Wertegemeinschaft in keinem besonders guten Licht erscheinen lassen, ist im Europaparlament nicht umstritten – aber sehr wohl, wie die Gemeinschaft auf die Verstöße reagieren soll. Am Mittwoch will das Plenum über eine gemeinsame Resolution abstimmen.

Der Bericht des portugiesischen Abgeordneten Rui Tavares, der zur Allianz der Grünen im Europaparlament gehört, kommt zu dem Schluss, dass die von Orban verabschiedeten Gesetze mit europäischen Werten unvereinbar sind. Wenn dieser Trend anhalte, laufe alles auf eine schwerwiegende Verletzung des EU-Vertrags hinaus, in dem die gemeinsamen Werte festgeschrieben stehen.

Über die Konsequenzen der Verstöße ist sich das Parlament bisher nicht einig. Laut Artikel 7 des EU-Vertrags kann einem Mitgliedstaat bei Missachtung der Grundwerte das Stimmrecht entzogen werden. Der Bericht Tavares’ fordert, die Anwendung dieses Paragraphen neben anderen Mechanismen zu prüfen.

EU-Parlament streitet über Konsequenzen der Verstöße

Darüber wird nun heftig gestritten. Der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch die deutsche CDU gehört, geht die Formulierung zu weit, sie will nicht mit „der schärfsten aller Waffen drohen“. Die EVP habe „Vertrauen in das ungarische Volk“, sagte der CSU-Abgeordnete Manfred Weber in der Debatte. Den Liberalen geht die Formulierung dagegen nicht weit genug, sie haben eine eigene Resolution zur Abstimmung eingebracht. Die fordert, ein Verfahren nach Artikel 7 nicht nur zu prüfen, sondern umgehend einzuleiten, wenn Budapest die geforderten Änderungen nicht umsetzt. „Wir müssen die Regeln, die wir formulieren, auch einhalten“, sagte der Liberalen-Vorsitzende Guy Verhofstadt.

Orban dagegen hält dem Bericht im Ganzen für „beleidigend“ und „zutiefst ungerecht“. Es sei eine Gefahr für Europa, wenn ein Mitgliedstaat „unter Vormundschaft“ gestellt werde, sagte der Regierungschef. Die Freiheit der Völker müsse berücksichtigt werden. Er spielte damit auf einen Punkt an, bei dem sich die Parteien weitgehend einig sind: Sie wollen genauer festlegen, wie die EU zukünftig mit Staaten umgehen soll, die nach ihrem Beitritt Grundrechtsstandards nicht mehr erfüllen. Diesem Ziel soll laut der vorbereiteten Resolution Ende 2013 eine Konferenz dienen, an der Vertreter aller europäischen Institutionen, aber auch der Europarat und verschiedene Gerichte teilnehmen sollen.

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