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Politik: Europa macht Tempo

Brüssel legt Vertragsentwurf für die von Berlin forcierte Fiskalunion vor – Anfang März sollen Texte unterzeichnet werden.

Brüssel - Nur eine Woche nach dem Beschluss der Staats- und Regierungschefs der EU ist am Freitag in Brüssel der erste Vertragsentwurf für die von Bundeskanzlerin Angela Merkel forcierte „Stabilitätsunion“ veröffentlicht worden. Das „Internationale Abkommen über eine verstärkte Wirtschaftsunion“, so der Titel des achtseitigen Papiers, ist nötig, da sich Großbritannien geweigert hatte, einer Änderung der EU-Verträge im Rahmen aller 27 Mitgliedstaaten zuzustimmen. Der Ersatzvertrag zwischen den Euro-Staaten und möglicherweise bis zu neun weiteren EU-Staaten soll Anfang März unterzeichnet werden.

Den Regierungen ist der erste Entwurf, den das Team von EU-Ratschef Herman Van Rompuy aufgesetzt hat, am Freitag zugeleitet worden. Am Dienstag findet die erste Verhandlungsrunde statt. Ein britischer Vertreter wird als Beobachter am Tisch sitzen. Beobachterstatus erhält auch das Europaparlament. Zu den drei Vertretern gehört der deutsche CDU-Mann Elmar Brok. Der Text übersetzt die Gipfelbeschlüsse der Vorwoche. In Artikel 3 sind die europaweite Einführung von Schuldenbremsen, automatische Sanktionen und die verpflichtende Absprache großer Wirtschaftsreformen mit Brüssel verankert.

Der Inhalt ist bekannt, die Form des Entwurfs überrascht allerdings. So hatte Kanzlerin Merkel argumentiert, die Fiskalunion könne auf dem Vertrag zur Gründung des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM aufbauen. Doch nun soll es zwei eigenständige Verträge geben, die beide den Bundestag und den Bundesrat werden passieren müssen – mit nur einem losen Querverweis zwischen den beiden Texten. Ein EU-Diplomat bestätigte am Freitag aber, dass „die Deutschen mehr als das wollen“. Eine direkte Verbindung beider Verträge könnte bedeuten, dass Hilfen aus dem Krisenfonds auch rechtlich an die Erfüllung bestimmter Vertragskriterien gekoppelt sind.

Ungewöhnlich ist auch das geplante Vorgehen bei der Ratifizierung der Verträge. So soll das Abkommen in Kraft treten, sobald neun von 17 Euro-Staaten es ratifiziert haben. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass ein Nein bei Parlaments- oder Volksabstimmungen in den Mitgliedstaaten den gesamten Prozess aufhält. Für die beteiligten Nicht-Euro-Länder gelten die Bestimmungen am ersten Tag des Folgemonats, nachdem die Ratifizierungsurkunde hinterlegt wurde.

In Artikel 8 heißt es, dass „jede Vertragspartei, die einer anderen Vertragspartei unterstellt, Artikel 3 nicht erfüllt zu haben, die Sache vor den Europäischen Gerichtshof bringen darf“. Einen solchen Verstoß gegen die Stabilitätskriterien vor den Gerichtshof zu bringen, ist in Artikel 126 der EU-Verträge aber eigentlich ausgeschlossen. Zugleich heißt es im neuen Vertragsentwurf: „EU-Recht hat Vorrang vor den Bestimmungen dieses Abkommens.“ Das kann zu rechtlichen Grauzonen führen. Ein Mitarbeiter des EU-Rechtsdienstes argumentierte am Freitag hingegen, dass die selbst auferlegten strengeren Regeln „nicht im Widerspruch“ zum Recht der Europäischen Union stünden. Christopher Ziedler

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