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Sorge vor Aufwind für Extremisten. Berlins Innensenator Andreas Geisel warnt beim Europäischen Polizeikongress vor den Auswirkungen der Afghanistan-Krise

© DAVIDS/Sven Darmer

Europäischer Polizeikongress in Berlin: Innensenator Geisel warnt vor Aufwind für Extremisten

Die Afghanistan-Krise verstärkt die Sorgen, Islamisten, Rechtsextreme und Linksextreme könnten profitieren. Geisel fordert mehr gesellschaftliche Gegenwehr.

Von Frank Jansen

Die Afghanistan-Krise verstärkt in Berlin die Sorgen vor Aufwind für Islamisten und weitere Extremisten. "Wir müssen im Blick behalten, ob sich Afghanistan nicht doch zu einem Ziel für Personen aus dem islamistischen Spektrum entwickelt", sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Dienstag in seiner Ansprache zum Auftakt des 24. Europäischen Polizeikongresses in Berlin.

Geisel befürchtet, dass zu einer "Ausreisewelle" in Richtung Afghanistan kommt und Islamisten als trainierte Kämpfer zurückkehren. Eine akute Gefahr gibt es allerdings offenbar nicht. Bislang hat die Machtübernahme der Taliban nach Erkenntnissen des Senators keine größeren Auswirkungen auf die islamistische Szene. Es gebe aber Äußerungen der Sympathie für die Taliban.

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Der Senator befürchtet, dass auch Rechtsextremisten von der Afghanistan-Krise profitieren. Im rechtsextremen Spektrum werde das "Szenario einer Flüchtlingswelle" gezeichnet, wie es sie 2015 gab. Geflüchtete aus Afghanistan würden mit Extremisten und Kriminellen gleichgesetzt. Geisel betonte, Berlin werde Menschen aus Afghanistan aufnehmen, die als Ortskräfte für die Bundeswehr tätig waren oder die, wie Menschenrechtler und Frauen, in Gefahr seien.

Einsatz der Bundeswehr herabgewürdigt

Geisel verwies auch auf Tendenzen im linksextremen Spektrum, die Krise zu nutzen. Einerseits werde die Aufnahme von Geflüchteten begrüßt, andererseits der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan "herabgewürdigt".

Er nutzte den Kongress, für mehr Engagement gegen Extremismus zu werben. Seine Sorge gelte auch "der schweigenden Mehrheit", sagte Geisel. "Wer schweigt, wird die Extremisten an den Rändern stärken".

Das Publikum, mehrere hundert Sicherheitsexpertinnen und -experten aus dem In- und Ausland, applaudierte. Der Senator warnte dann auch vor der Radikalisierung auch bürgerlicher Kreise in der Pandemie. "Seit Beginn der Coronakrise beobachten wir die Aufheizung und Polarisierung des gesellschaftlichen Klimas", sagte Geisel.

Österreichs Innenminister bekräftigt Weigerung, Afghanen aufzunehmen

Einen scharfen Ton beim Thema Afghanistan schlug Österreichs Innenminister Karl Nehammer beim Polizeikongress an. Mit den Worten "wir sehen die Fakten und nicht die zur Schau getragenen Emotionen" begründete der ÖVP-Politiker die Weigerung seines Landes, derzeit weitere Afghaninnen und Afghanen aufzunehmen.

Nehammer betonte, Österreich habe schon vor der Krise 44.000 Afghanen Schutz gewährt. Das sei, auf die einheimische Bevölkerung hochgerechnet, "die zweitgrößte afghanische Community" in der Europäischen Union. Außerdem sei Österreich in diesem Jahr bereits dabei, mehr als 2500 Asylanträge von Afghanen abzuarbeiten. Nehammer fragte sarkastisch, "warum muss es so sein, dass jemand 5000 Kilometer fährt und dann ausgerechnet in Deutschland oder Österreich einen Asylantrag stellt?"

Außerdem müsse Österreich in diesem Jahr "30 000 irregulär eingereiste Migranten" aufnehmen, die über die offenen Grenzen einreisen. Nehammer rief in den Saal, "zu glauben, dass Europa das Leid der Welt wird lindern können, führt zu einer Diskussion, die nicht zu Ende gedacht ist". Der Minister bekam für seine Rede starken Applaus, allerdings klatschte nicht jeder im Publikum.

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