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Katarina Barley (SPD), Bundesjustizministerin, spricht beim Europäischen Justizgipfel in Berlin.

© Sina Schuldt/dpa

Europäisches Richtertreffen in Berlin: Barley fordert "Kampagne für den Rechtsstaat" in Europa

Justizministerin erwägt Entzug von Fördermitteln für Länder, die EU-Rechtsprinzipien unterlaufen. Richterbund-Chef schlägt Ergänzung des EU-Vertrags vor.

Angesichts von politischen Eingriffen in das Justizsystem in EU-Ländern wie Polen oder Ungarn hat Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) eine Verknüpfung mit EU-Hilfen ins Spiel gebracht. "Auch über den Entzug von Fördermitteln kann man nachdenken", um rechtsstaatliche Standards anzumahnen, sagte Barley bei einem Treffen der Europäischen Richtervereinigung am Donnerstag in Berlin. Zuvor hatte bereits EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) eine derartige Möglichkeit gefordert. "Das Rechtsstaatsprinzip ist das Rückgrat jeder modernen Demokratie", sagte Barley. Möglich sei auch, die Vergabe von EU-Mitteln stärker an die Rechtsstaatlichkeit in einem Mitgliedsland zu binden. Barley kritisierte weiter, dass sich manche Länder - gemeint waren Tschechien, Polen und Ungarn - nicht an die vom Europäischen Gerichtshof bestätigten Beschlüsse zur Verteilung von Flüchtlingen hielten. "Hier wird versucht, die Autorität des Gerichtshofs zu untergraben". Die Ministerin forderte eine "Kampagne für den Rechtsstaat", da dessen Zustimmungswerte dramatisch bröckelten.

In Polen sei "die Gefahr nicht vorüber", sagt EU-Kommissionsvize

Der Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermanns sieht Polen in einer "schweren Rechtsstaatskrise", da die politische Mehrheit die Justiz unter ihre Kontrolle gebracht habe. Trotz vereinzelter neuer Gesetze, die andere Tendenzen zeigten, sei "die Gefahr nicht vorüber". Im Hinblick auf eine Gefährdung der EU-Grundwerte hatte die EU-Kommission wegen der polnischen Justizreformen ein Strafverfahren nach Artikel sieben des EU-Vertrags eingeleitet, das mit der Aussetzung von Mitgliedsrechten und dem Entzug des Stimmrechts enden kann.

Richterbund: Genauer definieren, was Unabhängigkeit bedeutet

"Was wir derzeit in Polen erleben, macht uns fassungslos", sagte der Vorsitzende des Deutschen Richterbunds, Jens Gnisa. Das Verfassungsgericht des Landes sei als unabhängiges Organ nicht mehr ernst zu nehmen, Gerichtsvorstände würden massenhaft aus nichtigem Grund aus ihrem Amt entlassen. Gnisa verlangte als Verhütungsmaßnahme eine Ergänzung des Grundwerte-Artikels 2 des EU-Vertrags. Hier müsse klarer definiert werden, was richterliche Unabhängigkeit bedeute. "Die Benennung der Rechtsstaatlichkeit als bloßer Wert reicht leider nicht mehr aus". Deren Inhalt würde von Regierungen und Parlamenten unter Hinweis auf eigene Traditionen missachtet.

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