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Europawahl: "Es gibt keine europäische Öffentlichkeit"

Die Begeisterung, die die EU-Bürger dem Straßburger Parlament entgegenbringen, sinkt permanent. Warum die SPD-Europaabgeordnete Evelyne Gebhardt von europäischen Parteienlisten träumt.

Berlin - „Nirgendwo geht es wirklich um Europa.“ So stand es vergangene Woche in einem erbitterten Kommentar der Straßburger Zeitung „Dernières Nouvelles d’Alsace“. Vor der Europawahl, schimpfte das Blatt, würden die Parteien in den 27 EU-Mitgliedstaaten jeweils ihr eigenes nationales Süppchen kochen. Echte Programme für Europa? Fehlanzeige.

Man kann der Straßburger Zeitung angesichts der Debatten im Europawahlkampf in den EU-Mitgliedstaaten nur zustimmen: Vor der EU-weiten Wahl zwischen dem 4. und 7. Juni beschäftigen sich die Briten mit dem Spesen-Missbrauch ihrer Unterhausabgeordneten, den Franzosen geht es um eine politische Bilanz zwei Jahre nach dem Amtsantritt ihres Präsidenten Nicolas Sarkozy, und in Deutschland gilt der Urnengang als Testlauf für die Bundestagswahl im September.

„Es gibt leider noch keine europäische Öffentlichkeit“, bedauert die SPD-Europaabgeordnete Evelyne Gebhardt, die in Frankreich geboren wurde und in diesen Tagen in Baden-Württemberg auf Wahlkampftour ist. Ihr „Traum“, sagt sie, sind gemeinsame europäische Parteienlisten, auf denen Politiker aus allen EU-Ländern vertreten sind. Immerhin, so hat sie festgestellt, stünden diesmal echte europapolitische Themen stärker im Vordergrund als noch bei der letzten Europawahl vor fünf Jahren. Was allerdings auch nicht sehr überrascht: Die Wahl im Jahr 2004 gab vielen Wählern in Deutschland die Möglichkeit, der damaligen rot-grünen Bundesregierung einen Denkzettel auszustellen. Die SPD sackte ab auf 21,5 Prozent – ein Wert, der sich diesmal eigentlich nur verbessern lässt. Die CDU kam damals auf 36,5 Prozent, die CSU auf acht Prozent.

Die CSU ist es auch, die der Europawahl in Deutschland in zwei Wochen eine besondere Würze verleiht. Das liegt zum einen an ihrer Forderung, Volksabstimmungen in wichtigen europapolitischen Fragen abzuhalten – damit grenzt sich die Partei bewusst von der Unionsschwester ab. Die Christsozialen ziehen bei dieser Europawahl aber auch deshalb besondere Aufmerksamkeit auf sich, weil sie um ihren Einzug in das Straßburger Parlament bangen müssen. Nach dem CSU-Debakel bei der Landtagswahl im vergangenen September setzen sie nun alles daran, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen.

Zeitgleich mit der Europawahl finden in Deutschland diesmal in sieben Bundesländern Kommunalwahlen statt, darunter in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Dass dabei die Wahl zum Straßburger Parlament nicht im luftleeren Raum stattfindet, räumt auch Evelyne Gebhardt ein: „Man kann Europawahlen nicht von der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik abkoppeln. Das wollen wir auch nicht.“

Wenn am Abend des 7. Juni die Wahl in den 27 EU-Mitgliedsländern gelaufen ist, wird sich das Interesse auch zwangsläufig wieder auf die – voraussichtlich niedrige – Wahlbeteiligung richten. Die Begeisterung, die die EU-Bürger dem Straßburger Parlament entgegenbringen, ist seit 1979 permanent gesunken – das zeigt zumindest ein Blick auf die Beteiligung seit der ersten Direktwahl vor 30 Jahren. Bei der letzten Entscheidung vor fünf Jahren beteiligten sich nur noch 45,5 Prozent der Wahlberechtigten in der EU an der Europawahl. Allerdings liegt die Wahlmüdigkeit im allgemeinen Trend – auch die Beteiligung bei Bundestagswahlen geht langfristig zurück.

Dass die allgemeine Unlust angesichts der Europawahlen ein Problem ist, sieht auch die Abgeordnete Gebhardt: „Ich hätte schon ganz gern eine bessere Wahlbeteiligung“, sagt sie. Allerdings teilt sie nicht die Ansicht einiger Kritiker, die mit der niedrigen Beteiligung auch die Legitimität des Europaparlaments infrage gestellt sehen: „Jeder hat die Möglichkeit und eigentlich auch die bürgerliche Pflicht, zur Wahl zu gehen.“

Nach einer Umfrage im Auftrag des Pariser Think Tank „Fondation pour l’innovation politique“ gaben 18 Prozent der befragten EU-Bürger in den 27 Mitgliedsländern an, sie hätten überhaupt kein Interesse an der bevorstehenden Europawahl. Als größte Wahlmuffel zeigten sich dabei die befragten Letten und Slowaken (jeweils 29 Prozent) sowie die Briten (28 Prozent). Schon bei der letzten Europawahl hatte die Slowakei Negativ-Schlagzeilen gemacht. Damals lag die Wahlbeteiligung in dem osteuropäischen Beitrittsland gerade einmal bei 17 Prozent – so niedrig wie sonst nirgends in der EU.

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