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Das Azovstal Stahlwerk in Mariupol, Ukraine.

© imago images/ZUMA Wire

Update

Evakuierung aus Mariupol: Nach ukrainischen Angaben noch 200 Zivilisten im Stahlwerk

Erneut wurden Menschen aus dem Mariupoler Stahlwerk evakuiert. Dutzende Zivilisten verbleiben. Derweil gehen die Kämpfe im Donbass unvermindert weiter.

Während neuer Evakuierungsversuche aus der südukrainischen Hafenstadt Mariupol hat Russland seine Angriffe in der Ostukraine mit unverminderter Härte fortgesetzt. Das Verteidigungsministerium in Kiew erklärte am Montag, vor allem in der Region Luhansk tobten „aktive und schwere Kämpfe“. Internationale Helfer bemühten sich unterdessen darum, weitere im Asow-Stahlwerk in Mariupol eingekesselte Zivilisten in Sicherheit zu bringen.

Nachdem am Wochenende erstmals dutzende Menschen das riesige Asow-Industriegelände in Mariupol verlassen konnten, sollte am Montagmorgen eigentlich eine erneute Rettungsaktion beginnen. Die Evakuierungsbusse kamen nach Angaben des Rathauses von Mariupol jedoch zunächst nicht an der vereinbarten Sammelstelle an. Außenminister Dmytro Kuleba versicherte dennoch, dass die Evakuierungsaktion „im Gange“ sei. Die Lage sei aber „sehr fragil“.

Am Wochenende waren nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mehr als hundert Menschen aus dem Stahlwerk herausgeholt worden. Nach Angaben der russischen Armee hatten 46 Zivilisten am Samstag das Stahlwerk verlassen und waren „freiwillig“ im Separatistengebiet Donezk geblieben. Weitere 80 Menschen verließen Mariupol den Angaben zufolge am Sonntag. 69 von ihnen brachen demnach in ukrainisches Gebiet auf.

Die Zivilisten wurden am Montagabend in der 220 Kilometer entfernten Stadt Saporischschja erwartet. Auf einem Parkplatz am Stadtrand von Saporischschja standen Fahrzeuge des UN-Kinderhilfswerks Unicef und anderer Hilfsorganisationen bereit.

Ein ukrainisches Kind weint, an einer Registrierungsstelle für Binnenflüchtlinge in der Ukraine.
Ein ukrainisches Kind weint, an einer Registrierungsstelle für Binnenflüchtlinge in der Ukraine.

© REUTERS/Ueslei Marcelino

Koordiniert werden die Evakuierungsaktionen aus Mariupol von der UNO und vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Abstimmung mit den Kriegsparteien. Dafür wurde eine örtliche Waffenruhe vereinbart. „Zum ersten Mal hat es in diesem Gebiet für zwei Tage eine echte Waffenruhe gegeben“, erklärte Selenskyj am Sonntagabend.

Nach Angaben des ukrainischen Militärs sind dennoch noch rund 200 Zivilisten in verschütteten Bunkern gefangen. Der stellvertretende Kommandeur des Asow-Regiments, das sich in dem riesigen Werksgelände verschanzt hat, sagt der Nachrichtenagentur Reuters, in den Schutzräumen seien Kinder, Frauen und Ältere. Seine Truppen hätten aber kein schweres Gerät, um die Eingänge freizuräumen, sagt Swiatoslaw Palamar.

Die strategisch wichtige Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer ist zum Symbol der russischen Kriegsführung in der Ukraine geworden. Russische Truppen hatten die inzwischen weitgehend zerstörte Stadt bereits in den ersten Kriegstagen umzingelt. Die Ukraine schätzt die Zahl der seit Beginn der Belagerung gestorbenen Menschen in Mariupol auf mindestens 20.000. Mittlerweile ist das Industriegelände des Konzerns Asow-Stahl die letzte Bastion des ukrainischen Widerstands in der Stadt.

In den unterirdischen Gängen der elf Quadratmeter großen Anlage befinden sich nach Angaben der ukrainischen Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk noch hunderte Zivilisten. Die Menschen hätten kaum Zugang zu Wasser und Nahrung, viele benötigten zudem medizinische Hilfe.

Kämpfe im Donbass gehen weiter

Ungeachtet der Feuerpause in Mariupol gingen die Kämpfe in den übrigen Teilen der ostukrainischen Donbass-Region unvermindert weiter. Intensive Kämpfe meldete die ukrainische Armee vor allem aus den Städten Isjum, Rubischne und Lyman. Dort versuchten die russischen Truppen, „die Kontrolle zu übernehmen, um ihren Angriff auf Sewerodonezk vorzubereiten“, erklärte der Generalstab. Sewerodonezk ist die letzte große Stadt im Osten der Ukraine, die noch von Kiews Truppen gehalten wird.

Im Schwarzen Meer versenkte die ukrainische Armee unterdessen zwei russische Patrouillenboote. Bei dem Einsatz kamen nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Kiew Bayraktar-Drohnen zum Einsatz, welche die Ukraine aus der Türkei bezieht.

Eine Familie erreicht einen Registrierungsstand für Binnenflüchtlinge in der Ukraine.
Eine Familie erreicht einen Registrierungsstand für Binnenflüchtlinge in der Ukraine.

© Ed JONES / AFP

Am Montag scheiterte offenbar der nächste Versuch zur Evakuierung. In Saporischschja kam kein Evakuierungskonvoi an. Das Asow-Regiment erklärte am Abend im Messengerdienst Telegram, Russland habe den Beschuss des Werksgeländes wieder aufgenommen. Beschossen würden auch Gebäude, „in denen sich Zivilisten verstecken“.

In einem auf Telegram veröffentlichten Video erklärte der stellvertretende Kommandeur des Asow-Regiments, Swjatoslaw Palamar, das Ende der für die Evakuierungsaktion vereinbarten Feuerpause sei zuvor nach hinten verschoben werden. Die Fahrzeuge für die Evakuierung der Zivilisten seien aber erst am späten Nachmittag in Mariupol eingetroffen.

Ein baldiges Ende der Kämpfe scheint nicht in Sicht. Russland strebe nicht an, seinen Militäreinsatz in der Ukraine bis zum Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland am 9. Mai zu beenden, sagte Außenminister Sergej Lawrow im italienischen Fernsehen. „Unser Militär wird seine Handlungen nicht künstlich an irgendeinem Datum ausrichten.“

Am 9. Mai feiert Russland traditionell den Sieg über Nazi-Deutschland mit einer Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau. Experten hatten lange angenommen, dass Präsident Wladimir Putin an dem symbolisch wichtigen Datum einen großen Sieg in der Ukraine verkünden will.

Der Westen arbeitet unterdessen an einer Verschärfung seiner Sanktionen gegen Russland. Bei einem Sondertreffen der EU-Energieminister ging es am Montag um ein von der EU-Kommission geplantes Öl-Embargo. Deutschland will ein Importstopp für russisches Öl nach anfänglicher Skepsis nun mittragen, Ungarn droht dagegen mit einem Veto. (AFP, Reuters)

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