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Von der Bundeswehr aus Kabul Evakuierte in Taschkent

© dpa/Marc Tessensohn/Bundeswehr

Ex-Bundeswehr-Oberst über afghanische Ortskräfte: „Innerlich verachten uns diese Menschen“

Ein ehemaliger Oberst der Bundeswehr urteilt in einem Leserbrief abschätzig über die afghanischen Ortskräfte. Sie locke der „Wohlstandsmagnet Deutschland“.

Während die Bundesregierung sich auch nach dem Ende der Evakuierungsmission aus Kabul um die Ausreise Schutzsuchender aus Afghanistan bemüht, spricht sich ein ehemaliger Oberst der Bundeswehr mit verächtlichen Pauschalurteilen gegen eine undifferenzierte Hilfe für die Ortskräfte aus.

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„Was die Ortskräfte angeht, so habe ich einen anderen Zugang als der, der üblicherweise in den Medien verbreitet wird“, schreibt Oberst a.D. Thomas Sarholz in einem am Donnerstag erschienen Leserbrief in der „FAZ“.

„Dass gerade diese Ortskräfte jetzt sämtlich zu uns kommen wollen, überrascht mich nicht; hatten sie doch einen recht genauen Einblick über unseren Lebensstandard erlangt“, schreibt Sarholz weiter.

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Am Ende seines Briefes kommt der Oberst dann zu dem Schluss: „Innerlich verachten uns diese Menschen, was sie aus nachzuvollziehenden Gründen natürlich nie zugeben werden. Sie wollen ja etwas erreichen: den Wohlstandsmagneten Deutschland.“ Es mag Ausnahmen geben, räumt er immerhin ein. Doch: „Mir sind sie nicht begegnet.“

Sarholz war nach eigenen Angaben 2005/2006 Kommandant von Camp Warehouse bei Kabul, einer großen Militärbasis mit mehr als 2000 Soldaten aus vielen Nationen.

„Es hat sich also gelohnt, für uns zu arbeiten“

Der frühere Oberst unterstellt den Ortskräften, sich aus Berechnung in die Dienste der Bundeswehr gestellt zu haben. „Selbstlosigkeit war das Letzte, was diese Leute angetrieben hat, um für uns zu arbeiten. Diese romantisch-idealisierenden Vorstellungen sind dort unbekannt beziehungsweise stoßen auf völliges Unverständnis“, schreibt Sarholz. „Unsere Ortskräfte wurden für afghanische Verhältnisse fürstlich entlohnt, gut behandelt und nahmen wie selbstverständlich an unserer ausgezeichneten Mittagsverpflegung teil.“ Sie seien auch mit Kleidung und Schuhen beschenkt worden.

„Es hat sich also gelohnt, für uns zu arbeiten“, schreibt der Oberst weiter über die Ortskräfte. Auch ihre Familien, Clans oder Stämme hätten davon profitiert.

Nach Darstellung von Sarholz begingen Ortskräfte auch Verrat. „Gehörten sie zu schwächeren Gruppen, waren Schutzgeldzahlungen fällig, um nicht umgebracht zu werden. Darüber hinaus waren Informationen zu liefern“, schreibt er.

„Die Taliban oder ähnliche Gruppierungen waren somit bis ins Detail über unsere Zahl, Ausrüstung, gegebenenfalls sogar über unsere Absichten informiert“ so der Oberst weiter. Seine Soldaten habe er daher zur Vorsicht bei der Informationsweitergabe ermahnt.

„Aber vielleicht war und bin ich ja blind“, schreibt Sarholz über seine Wahrnehmung der Ortskräfte. Und endet seinen Brief mit einem Seitenhieb auf die Medien: „Mit Letzterem befinde ich mich, wenn ich mir die Berichterstattung über den Zusammenbruch der durch die westlichen Staaten geförderten politischen Ordnung in Afghanistan betrachte, jedoch in bester Gesellschaft.“

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