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Fall Lea-Sophie: Schweriner Auslese

Der Fall Lea Sophie kostete den Schweriner Oberbürgermeister den Job – jetzt wird ein Nachfolger gesucht. Die besten Chancen haben unter den sieben Bewerbern zwei Landespolitiker, die den Zenit ihrer politischen Karriere bereits überschritten haben.

Der „Event-Manager“ mit dem Künstlernamen Fredi Sonnenschein gibt zu, früher ein Striplokal betrieben zu haben. Der Ingenieur Volker Goebel berichtet auf seiner Homepage über seine Darmprobleme. Auch der Busunternehmer Andreas Helms traut sich zu, neuer Oberbürgermeister von Schwerin zu werden. Die drei Einzelkandidaten brauchten offenbar nach dem Motto „Das kann ich auch“ nicht allzu viel Mut, um für die Wahl am 14. September anzutreten.

Das Ansehen des höchsten Postens in Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt ist in den Augen vieler Schweriner bundesweit ramponiert. Im April schickten sie ihr Stadtoberhaupt Norbert Claussen (CDU) per Bürgerentscheid vorzeitig in den Ruhestand. Anlass war seine Äußerung, Schwerin habe mit dem Tod der fünfjährigen Lea-Sophie, die in der Wohnung ihrer Eltern in Schwerin im November 2007 qualvoll verhungerte, „Pech gehabt“, weil solch ein Fall auch anderenorts hätte passieren können. Dem waren seit 2002 zahlreiche andere angeblich selbstherrliche Entscheidungen Claussens vorausgegangen.

Die besten Chancen, seine Nachfolge anzutreten, haben unter den sieben Bewerbern dennoch zwei Landespolitiker, die den Zenit ihrer politischen Karriere bereits überschritten haben, nachdem sie acht Jahre lang in Deutschlands erster rot-roten Koalition eng zusammenarbeiteten. Seit 2006 drückt Gottfried Timm (SPD) die unbequeme Hinterbank im Landtag, nachdem er seinen Posten als Innenminister nach acht Jahren vollkommen überraschend an Lorenz Caffier (CDU) abgeben musste. Auch die ehemalige langjährige Landtagsfraktionschefin der Linken, Angelika Gramkow, spielt seit der letzten Landtagswahl nur noch eine untergeordnete Rolle.

Die Wahlprogramme der beiden sind kaum voneinander zu unterscheiden. Beide wollen um mehr Arbeitsplätze werben, mehr für den Kulturstandort und die Sportstadt Schwerin tun, vom Land mehr Geld für die Hauptstadtfunktion einfordern und vor allem den Schwerinern mehr Mitsprache einräumen. Timm wie Gramkow tingeln deshalb zurzeit durch Kindergärten, Sozialeinrichtungen, Sportvereine und Unternehmen, um ihren potenziellen Wählern ihr Ohr zu leihen. Und beide betonen, dass sie schon lange in Schwerin leben und mit der Stadt verbunden sind. Timm hofft, dass die Schweriner seine Erfahrung an der Spitze des Innenministeriums honorieren werden. Gramkow glaubt mit ihrem sozialen Engagement und ihrem guten Ruf als Finanzexpertin punkten zu können.

Aus den Reihen der CDU wollte nach der Klatsche für Claussen niemand den Kopf hinhalten. So nominierte man den parteilosen Unternehmer Hans-Peter Kruse. Die Unabhängigen Bürger schicken den Gastronomen Frank-Peter Krömer ins Rennen. Nicht antreten darf Peter Marx. Der Gemeindewahlausschuss lehnte die Kandidatur des NPD-Bundesgeneralsekretärs ab. Wegen seiner hohen Funktion in der rechtsextremen Partei bestünden Zweifel an seiner Verfassungstreue. Wahrscheinlich wird der Landeswahlausschuss den Einspruch von Marx ablehnen. Zwei anderen NPD-Funktionären wurde bereits die Kandidatur bei Landratswahlen im Frühjahr verwehrt.

Der neue Oberbürgermeister muss für seine Politik Mehrheiten in den fünf Fraktionen der Stadtvertretung finden. Angelika Gramkow hätte nur die zweitstärkste Kraft im Stadtparlament hinter sich, die SPD spielt sogar nur die dritte Geige.

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