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Bleiberechts-Kompromiss: "Familienfeindlich", "schäbig", "skandalös"

Während sich Koalitionsvertreter zufrieden über den neuen Bleiberechtskompromiss zeigen, kommt von der Opposition und Flüchtlingsorganisationen scharfe Kritik. Grünen-Chefin Roth spricht gar von einem "Wettlauf der Schäbigkeit".

Berlin - Langjährig in Deutschland geduldete Ausländer sollen sich künftig eine Arbeit suchen können, erhalten aber bis dahin keine höheren Sozialleistungen. Eine Spitzenrunde der Koalition einigte sich am späten Montagabend auf den neuerlichen Kompromiss. Union und SPD zeigten sich zufrieden; Kritik kam aus der Opposition und von der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl.

Die Runde von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), CSU-Chef Edmund Stoiber, Arbeitsminister Franz Müntefering und Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (beide SPD) verständigte sich darauf, dass geduldete Ausländer vor der Aufnahme einer Arbeit keine höheren Sozialleistungen erhalten sollen, die sie mit "Hartz IV"-Empfängern oder Sozialhilfebeziehern gleichstellen würden. Auch soll der Familiennachzug ausgeschlossen werden, das Elterngeld bleibt ihnen verwehrt. Die Länder können zudem selbst entscheiden, ob sie den Betroffenen Sach- oder Geldleistungen gewähren.

Merkel: Kompromiss "sehr hilfreich"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte den Kompromiss "sehr hilfreich" und kündigte einen Kabinettsbeschluss noch vor Ostern an. Die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) appellierte an die Arbeitgeber, Geduldete bei Bewerbungen gleichrangig zu behandeln.

CSU-Chef Edmund Stoiber hob hervor, dass Mehrkosten für die Sozialkassen in dreistelliger Millionenhöhe vermieden worden seien. Er räumte ein, dass die Regelungen den Druck auf Geduldete zur Arbeitsaufnahme "sicherlich erhöhen" werden. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) blieb "noch etwas skeptisch". Er äußerte die Befürchtung, dass jemand, der eine Arbeit und dann auch ein Bleiberecht erhält, bei Verlust des Jobs nicht mehr abgeschoben werden kann.

Piltz: Kompromiss ist familienfeindlich

Die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz begrüßte zwar die Chance zur Arbeitsaufnahme für Geduldete, nannte aber die Beschränkungen beim Familiennachzug "familienfeindlich". Links-Fraktionsvize Petra Pau sprach von einem "schlechten Kompromiss", Grünen-Chefin Claudia Roth von einem "Wettlauf der Schäbigkeit". Vom Bleiberecht profitierten bestenfalls "Menschen, die verwertbar sind aus ökonomischen Gründen". Wer wirklich Schutz und Unterstützung brauche, bekomme dagegen keine Hilfe, beklagte Roth.

Der Geschäftsführer der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt, räumte zwar ein, dass die Arbeitsplatzchancen für die Geduldeten steigen. Allerdings dürften nur 20.000 bis 40.000 der rund 180.000 Betroffenen die Chance nutzen können. Das Problem der Kettenduldungen bleibe damit weitgehend ungelöst. An die geduldeten Ausländer appellierte Burkhardt, sich jetzt schnell Arbeit zu suchen und dafür auch bereit zu sein, "weite Wege zu gehen". (tso/ddp)

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