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Der Sprachtest ist fast gekippt.

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Update

Familiennachzug: Sprachtest kein Dauerhindernis mehr für Eheleben

Vor sieben Jahren wurde er vorgeschrieben, jetzt ist der Deutschtest - fast - gekippt: Mangelnde Sprachkenntnisse können die Einreise ausländischer Ehepartner nur noch verzögern, aber nicht mehr auf Dauer verhindern.

Mangelnde Deutschkenntnisse sind kein Dauerhindernis mehr dafür, dass ausländische Ehepartner in Deutschland zusammen leben können. Wer sich künftig ein Jahr lang ernsthaft bemüht, Deutsch zu lernen, erhält ein Einreisevisum zur Familienzusammenführung. Auf den Sprachnachweis werde auch verzichtet, "wenn es dem ausländischen Ehegatten nicht zugemutet werden kann, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Sprachkenntnisse zu unternehmen", hieß es dazu am Freitag aus dem Auswärtigen Amt. Das träfe zum Beispiel für eine Afghanin zu, die für einen Deutschkurs nach Kabul ziehen müsste, aber dort keine Verwandten hat, oder für Eheleute mit einer Behinderung, die sie am Lernen hindert. Die neuen Regeln gelten seit Montag dieser Woche. Ob und wann sie auch ins Gesetz geschrieben werden, ist noch unklar.

Reaktion auf Niederlage in Luxemburg

Die Bundesregierung reagiert damit auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg vor einem Monat. Er hatte am 10. Juli einer türkischen Ehefrau Recht gegeben, dieO als Analphabetin den - teils schriftlichen - Deutschtest nicht ablegen konnte, der seit 2007 Voraussetzung für die Einreise ausländischer Partner ist. Das Luxemburger Urteil sah darin eine Verschlechterung der Lage von türkischen Staatsbürgern, die Deutschland arbeiten. Nach dem EU-Assoziationsabkommen mit der Türkei von 1970 ist das verboten. Die neue Regelung gilt nun aber für alle ausländischen Eheleute: "Die Bundesregierung ist über den eigentlichen Wortlaut des Urteils des EuGH hinausgegangen", erklärte dazu das Auswärtige Amt

Sprachtest bleibt - verhindert aber Eheleben nicht

Das Recht Deutschlands, grundsätzlich einen Sprachnachweis zu fordern, bleibt von der EuGH-Entscheidung ohnehin unberührt. Bereits Ende Juli wies das Verwaltungsgericht Münster unter Hinweis auf das Urteil die Klage einer türkischen Ehefrau ab, die hier seit 20 Jahren lebt und kein Deutsch kann. Sie wollte eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die ihr das Gericht aber versagte. Sie könne schließlich mit ihrem Ehemann zusammenleben, die „Nichterfüllung der sprachlichen Integrationsvoraussetzungen“ führe lediglich dazu, dass sie ihren Aufenthaltsstatus nicht verbessern könne.

Koalition stand unter Druck

Wie auf das Luxemburger Urteil zu reagieren sei, war zwischen Außenamt und Innenministerium hart umstritten. Während Innenstaatssekretär Günter Krings in einem ersten Kommentar erklärte, es könne nur um Härtefälle gehen, wies das Auswärtige Amt bereits am Tag nach dem Urteil seine Auslandsvertretungen an, Visa an türkische Staatsbürger generell nicht mehr zu verweigern, nur weil der Sprachnachweis fehle. Das Bundesinnenministerium kommentierte die Einigung am Freitag deutlich zugeknöpfter als das Auswärtige Amt und äußerte sich lediglich zur neuen Härtefallregelung: Sie gelte künftig für den Nachzug zu türkischen Staatsangehörigen wie zu Deutschen. „Die  Auslandsvertretungen werden in begründeten Einzelfällen Härten auch bei dem Zuzug zu sonstigen Ausländern angemessen Rechnung tragen“, erklärte ein Sprecher des Ministeriums auf Tagesspiegel-Anfrage. Dass sich CDU und SPD nun doch auf eine großzügigere Regelung geeinigt haben, könnte damit zusammenhängen, dass zum Jahresende ein weiteres europäisches Verfahren zum Familiennachzug droht, das mit einer Niederlage für die restriktive deutsche Regelung enden dürfte.

Japanerinnen müssen kein Deutsch können

Der Sprachtest war umstritten, seit er 2007 ins Aufenthaltsgesetz geschrieben wurde. Begründet wurde er besonders mit dem Interesse von Ehefrauen, die gegen Unterdrückung und Zwangsehen besser geschützt seien, wenn sie sich verständlich machen könnten. Kritiker wandten dagegen ein, dass dieses Ziel mit einem Deutschkurs in Deutschland besser zu erreichen wäre. Außerdem waren die diskriminierenden Ausnahmen immer wieder Ziel von Kritik: Die Staatsangehörigen von elf Ländern, die im Gesetz genannt sind, müssen den Sprachtest nämlich nicht ablegen, darunter die Bürgerinnen und Bürger der USA, aus Israel, Japan und Korea.

Verfahren der EU-Kommission gegen Deutschland

Die EU-Kommission hat gegen den Sprachtest vor der Einreise allerdings grundsätzliche Bedenken und deshalb im Mai 2013 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Sie sieht die europäische Richtlinie über Familienzusammenführung verletzt, wenn der Sprachtest zur Voraussetzung für ein Familienleben in Deutschland wird. 2011 zogen bereits die Niederlande, später auch Österreich ähnliche Vorschriften zurück, nachdem ein Brüsseler Gutachten einer Afghanin Recht gegeben hatte, der der Umzug zu ihrer niederländischen Familie verweigert worden war, weil sie noch kein Niederländisch konnte.

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