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Johannes Vogel, links, will beim Parteitag in den Vorstand gewählt, Parteichef Christian Lindner zum Spitzenkandidat gekürt werden.

© imago/Sven Simon

Political Animal: Zehn Prozent plus x ist das Wahlziel der FDP

Warum das Regieren für die Freidemokraten vielleicht wirklich nicht mehr höchste Priorität hat. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Stephan-Andreas Casdorff

Alle reden über CDU/CSU, SPD Grüne, vielleicht auch noch von den Linken, weil die sich gerade der Fünf-Prozent-Hürde nähern und mit ihren Forderungen an etwaige Koalitionspartner vorsichtig sein sollten, weil die nach hinten, pardon, unten losgehen könnten. Da werden die Freien Demokraten umso interessanter. Zumal sie auch noch einen Parteitag vor sich haben.

Die FDP kam zwischenzeitlich auch den fünf Prozent bedrohlich näher, das war nach der Jamaika-Chose. Jetzt sieht’s wieder deutlich besser aus. Ihre zehn Prozent hätten die Linken gern; und eine leise Ironie der Geschichte ist, dass die FDP die mit in Teilen (aus ihrer Sicht) linkeren Positionen erreicht. Es sei denn, Bürgerrechtsliberale gelten bei ihr nicht mehr als Linksliberale.

Ach ja, Jamaika. Das war vor vier Jahren, als alle Welt dachte, die FDP habe ihren politischen Verstand an der Garderobe der Koalitionsverhandlungen gelassen; und als nur sie selbst dachte, dass das doch bloß ihre Seriosität zeige, nicht um jeden Preis regieren zu wollen. Wie lautete noch der Schlüsselsatz? Besser nicht regieren als schlecht regieren.

Wie halten sie es mit Steuererhöhungen?

Zum schlechten Regieren nach einer Wahl haben die Freien Demokraten vor der nächsten im September auch schon wieder eine Forderung erhoben, von der die Frage ist, ob sich die Partei auf Gedeih oder Verderb daran gebunden fühlt: keine Steuererhöhungen. Die Grünen wollen sie, die SPD auch, die Union wird jetzt nicht darüber reden wollen, sie kann gegenwärtig keinen weiteren Streit gebrauchen. Aber das Thema ist da – und wird noch aufkommen, wenn die Pandemie abflaut, deren Kosten bleiben. Und die bezahlt werden müssen.

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Nun hat die FDP einen Punkt, zumindest für einen großen Teil ihrer bisherigen Wähler: Die oberen zehn Prozent der Steuerzahler:innen kommen nach jüngsten Erhebungen für 53,4 Prozent der gesamten Einkommensteuereinnahmen auf. Und die Gruppe unternehmerisch Tätiger und Selbstständiger hatte danach 2019 eine höhere Steuerbelastung als 1998.

Die Freien Demokraten müssen also klären, welches Anliegen ihr zentrales sein soll. Selbst wenn das Zentrum breit genug wäre fürs Steuerthema, das Bürgerrechtsliberale, das Soziale. Der jetzt anstehende Parteitag wird Aufschluss geben über die Priorisierung.

Tut die FDP, was sie sagt?

Damit aber nicht genug. Die Bundestagswahlkampagne hängt wesentlich davon ab. Die Priorisierung wird die Wahlkämpfer leiten, und sie wird dazu führen, dass die FDP an ihr gemessen wird. Das gilt sowohl intern – Motto: Tun wir, was wir sagen? – als auch von außen gesehen: Stehen wir für das ein, was wir gesagt haben?

Nicht erst an der Linkspartei kann die freie demokratische sehen, dass vorfristige Forderungen zu Abbuchungen führen, um es mal so auszudrücken.

Deshalb wird interessant sein, wie die FDP auf ihren neuen Vizevorsitzenden Johannes Vogel reagiert. Der stellt sich den Liberalismus „ganzheitlich“ vor. Folgt ihm die FDP, kann es tatsächlich sein, dass für sie nicht mehr das Regieren oberste Priorität hat.

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