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Politik: Fehltreffer im Tiefflug

Wieder ein Zwischenfall mit „friendly fire“ – im Nordirak kommen dabei mindestens 18 Soldaten und ein Zivilist ums Leben

Der Konvoi sollte das Gebiet um die Stadt Mahmur im Nordirak erkunden. Zunächst sah alles nach einer Routinefahrt an der so genannten Nordfront im Irak-Krieg aus, denn in Mahmur hatten irakische Einheiten wie anderswo in der Region ihre Stellungen aufgegeben. Doch als US-Soldaten und die mit ihnen verbündeten kurdischen Peschmerga-Kämpfer in die Lücke nachstießen, brach die Hölle los. Der US-Kommandeur des Konvois hatte Luftunterstützung angefordert, weil er in der Ferne einen irakischen Panzer sah. Daraufhin erschienen zwei US-Kampflugzeuge, die im Tiefflug über den Konvoi rasten. Einer der Piloten muss die Fahrzeuge für das Zielobjekt gehalten haben. Er warf eine Bombe ab, die wenige Meter neben den Wagen explodierte. Mindestens 14 kurdische und vier amerikanische Soldaten und ein Zivilist starben. Ein britischer Journalist berichtete von vielen zerfetzten Leichen. Fernsehbilder vom Einschlagsort zeigten mehrere völlig ausgebrannte Fahrzeuge. Der BBC-Korrespondent berichtete auch, er blute aus dem Ohr.

Mehr als 40 Verwundete wurden ins Krankenhaus der Stadt Erbil im nordirakischen Kurdengebiet eingeliefert. Viele befanden sich in einem sehr ernsten Zustand, darunter auch ein hochrangiger Offizier der kurdischen Peschmerga: Vecih Barzani, Chef der Spezialeinheiten der Kurden-Miliz KDP und Bruder von KDP-Chef Massoud Barzani, wurde auf der Intensivstation in Erbil behandelt. Die US-Armee kündigte eine Untersuchung des Vorfalls an, der sich an eine Reihe weiterer Zwischenfälle mit so genanntem „freundlichen Feuer“ anschließt. Amerikaner und Briten haben bereits mehrmals Verluste durch den Beschuss der eigenen Seite erlitten.

Mahmur liegt fast genau in der Mitte zwischen den beiden nordirakischen Großstädten Mossul und Kirkuk. Kurdische Milizen waren in den vergangenen Tagen mit Unterstützung amerikanischer Spezialeinheiten von Nordosten her auf beide Städte vorgerückt. Dabei profitierten sie davon, dass sich die irakischen Einheiten unter dem Eindruck eines fast pausenlosen Bombardements aus der Luft immer weiter in die unmittelbare Nähe der Städte zurückzogen und den Kurden ihre Positionen überließen. Schon vor dem Zwischenfall vom Sonntag hatten Beobachter im Nordirak die Sorge geäußert, dass der schnelle Vorstoß der kurdisch-amerikanischen Bodentruppen in die von den Irakern verlassenen Stellungen bei den amerikanischen Kampfflugzeugen zu Verwechslungen führen könnte.

Die KDP, die ihre 40 000 Kämpfer dem Kommando der Amerikaner unterstellt hat, wartet schon seit Kriegsbeginn ungeduldig auf den Befehl zum Angriff auf Mossul und Kirkuk. Doch bisher hat sich an der Nordfront nicht viel getan, unter anderem weil die USA einen Einmarsch der Türkei befürchten, wenn die Kurden die ölreichen Gebiete um die beiden Städte unter ihre Kontrolle bringen. Deshalb besteht der militärische Zweck der Nordfront bisher vor allem darin, irakische Verbände im Norden zu binden und sie daran zu hindern, in die Schlacht um Bagdad einzugreifen.

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