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Politik: Flirt ohne Hochzeit

In Baden-Württemberg wird Oettinger doch nicht mit den Grünen, sondern weiter mit der FDP regieren

Hätte Wahlsieger Günther Oettinger allein über ein schwarz-grünes Bündnis in Baden-Württemberg zu entscheiden, dann wäre die Sache wohl schon perfekt. Dass es dem Ministerpräsidenten, dem ein einziger Sitz zur absoluten Mehrheit fehlt, persönlich wie politisch ausgesprochen gefallen hätte, eine für die CDU neue Option auszuprobieren, gilt als offenes Geheimnis. Doch er kann nicht allein entscheiden. Und deshalb wird es nichts mit Schwarz-Grün.

Immer vernehmlicher hatte es in der Partei gegrummelt, die warnenden, ablehnenden Meinungsäußerungen, die in der Geschäftsstelle eingingen, überwogen bei weitem. „Das mussten wir zur Kenntnis nehmen“, hieß es am Montagnachmittag in der Parteiführung. Offiziell wird man erst am heutigen Dienstag, wenn der Landtagsfraktion berichtet worden ist, den Grünen die Rote Karte zeigen.

Noch bevor sich Schwarze und Grüne im Stuttgarter Landtag zum zweiten Sondierungsgespräch trafen, hatte sich die Entwicklung angedeutet: In einer Telefonkonferenz sah sich eine Mehrheit im CDU-Landespräsidium einem „gesteigerten Begründungszwang“ ausgesetzt: „Es gibt keinen inhaltlichen Grund, weshalb man den Partner von der Bettkante stoßen soll.“ Immerhin liegt man schon seit zehn Jahren gemeinsam im Regierungsbett. Oettinger hatte im Wahlkampf zudem liberale Wähler mit der Aussicht auf Fortsetzung der Koalition umworben. Und die Liberalen, die mit 63 000 von der CDU abgewanderten Wählern gestärkt aus der Wahl hervorgegangen sind, hätten in den beiden Gesprächen mit der CDU „auch keinen Hammer auf den Tisch gelegt“, wie es aus dem Präsidium hieß.

Wenn, wie Oettinger nochmals dargelegt hatte, sowohl mit der FDP wie mit den Grünen eine „tragfähige Koalition“ möglich sei, sei die FDP eben die „näher liegende“ Variante. Dabei habe es in dem 16 Mitglieder zählenden Führungsgremium durchaus auch „große Sympathie“ für ein Bündnis mit den Grünen gegeben. Und niemand, sagte ein Teilnehmer ausdrücklich, habe es apodiktisch ausschließen wollen. Aus Berlin, so wird von den Christdemokraten in Stuttgart versichert, habe es „weder Marschbefehle noch Verbote“ gegeben. Vielmehr habe Parteichefin Angela Merkel den Eindruck erweckt, „man hat nichts dagegen, wenn Oettinger eine Schneise zu den Grünen schlägt“.

Überaus wohlwollend hatten beide Seiten das zweite anderthalbstündige Gespräch bewertet: „Sehr ernst, sehr sachlich, sehr konstruktiv“, nannte es Oettingers Generalsekretär Thomas Strobl, was in jedem Falle „von bleibendem Wert“ sei. Die Grünen, allen voran Fraktionschef Winfried Kretschmann und Parteichef Andreas Braun gebrauchten dieselben Worte. Dass ein Zusammengehen mit den Grünen trotz eines „deutlichen Prozesses der Verbürgerlichung“, wie Stuttgarts ehemaliger Oberbürgermeister Manfred Rommel konstatierte, vor allem bei den Älteren besonders kritisch gesehen würde, machte die Ex-Vorsitzende der Seniorenunion, Erika Reinhardt deutlich: „Das wäre eine große Enttäuschung, ein Großteil der CDU-Wähler wäre schockiert.“

Dem Vorsitzenden der Jungen Union, Thomas Bareiß, dagegen hätte es gefallen: „Ich kann mir das gut vorstellen“, sagte er noch am Vormittag. „Wir müssen nicht sagen, was können wir mit der FDP nicht machen, sondern was lässt sich mit den Grünen machen.“ Sehr viel, hatten die signalisiert. Zwar hätten sie keinen Spielraum in der Atomausstiegsfrage, hatte auch Oettinger erkannt. Doch viele andere Konfliktpunkte hätte man wohl ausräumen können. Bei der FDP, wo sich zunehmende Nervosität breit gemacht hatte, kann man jetzt erst einmal Plan B in der Schublade verschwinden lassen.

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