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Frankreich: Sarkozy vertraut auf die Kraft des Glaubens

Frankreichs Staatschef spricht von einer "Politik der Zivilisation“ – und entfacht einen Streit um die Trennung von Kirche und Staat.

Wenn Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy Reden über Gott und die Welt hält, geraten in den Augen der Opposition die Fundamente der weltlichen französischen Republik ins Wanken. Der Präsident falle als Garant der Trennung von Religion und Staat aus der Rolle, wenn er die Bedeutung des Glaubens und der christlichen Wurzeln der französischen Gesellschaft unterstreicht – das ist zumindest die Ansicht der zahlreichen Anhänger einer strikt weltlichen Konzeption der Republik, die seit 1905 im französischen Gesetz verankert ist.

Der Streit um die Trennung von Kirche und Staat ist in Frankreich erneut entbrannt, seit Sarkozy die „Politik der Zivilisation“ zu seinem neuen Leitmotiv erkoren hat. Für Sarkozy ist Zivilisation wesentlich religiös geprägt – und zwar nicht nur in Frankreich, sondern überall auf der Welt. Das Argument des französischen Staatschefs: „Es waren die Religionen, die uns als Erste die universellen Prinzipien der Moral beigebracht haben und die universelle Idee der Menschenwürde.“

Bei seiner Audienz bei Papst Benedikt XVI. hatte Sarkozy im Dezember bekannt: „Ein Mensch, der glaubt, ist ein Mensch, der Hoffnung hat. Und es ist im Interesse der Republik, dass es möglichst viele Frauen und Männer gibt, die hoffen. Das Verschwinden ländlicher Kirchengemeinden und die spirituelle Leere in den Vorstädten oder der Priestermangel, all das hat die Franzosen nicht glücklicher gemacht.“ Laut Sarkozy liefert die Geschichte weitere Argumente: „Der christliche Glauben hat Frankreichs Gesellschaft, Kultur, Landschaften, Lebensart, Architektur und Literatur zutiefst durchdrungen. Frankreichs Wurzeln sind essenziell christlich.“

Bei seinem Besuch in Saudi-Arabien setzte sich Sarkozy wiederum zu Beginn dieser Woche für eine zivilisatorische Bedeutung des Islam bei der Modernisierung der arabischen Welt ein. In Riad machte sich der Präsident zum Wortführer einer Verständigung der monotheistischen Religionen: „Wer könnte leugnen, dass es derselbe Gott ist, an den wir unsere Gebete richten? Der Gott der Bibel, der Gott der Evangelien, der Gott des Korans, der im Herzen und Denken jedes Menschen ist, der Gott, der den Menschen nicht knechtet, sondern befreit, der Gott, der ein Schutzwall gegen den maßlosen Ehrgeiz und den Wahnsinn der Menschen ist.“

Diese Worte erregen in Paris Anstoß. Der sozialistische Oppositionschef François Hollande protestierte, Sarkozy habe bei seinem Besuch in Saudi-Arabien „aus der Religion ein Instrument der Außenhandelsförderung“ gemacht. Im Parlament kam es deswegen zu einem hitzigen Glaubensstreit. Der linke Abgeordnete Jean Glavany spottete über eine „Rede, in der Gott nicht auf jeder Seite, sondern in jeder Zeile zitiert wird, was ein Grundsatzproblem für die Republik aufwirft“. Innenministerin Michèle Alliot-Marie entgegnete unter Buhrufen aus den Oppositionsreihen: „Wir begrüßen die Rolle jeglicher Form von Spiritualität, der sich die Franzosen sehr verbunden fühlen. Wir wollen, dass sich diese Spiritualitäten ausdrücken können, auch jene, die sich auf den Atheismus stützt.“

Wie wenig es braucht in Frankreich, um den schwelenden Streit um den Glauben aufflackern zu lassen, hatten in den letzten Jahrzehnten bereits ungleich ernstere Konflikte um die staatliche Finanzierung der religiösen Privatschulen und das Verbot von Subventionen beim Bau von Kirchen und Moscheen gezeigt.

Rudolf Balmer[Paris]

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