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Gasstreit: Brüssel droht mit Klage

Die Haltung von Russland und der Ukraine sei "unakzeptabel", erklärte EU-Kommissionspräsident Barroso und droht mit rechtlichen Schritten. Polen will unterdessen neue Atomkraftwerke bauen.

EU-Kommissionspräsident Barroso hat die Energieunternehmen der EU aufgefordert, gegen den russischen Lieferanten Gasprom und das ukrainische Unternehmen Naftogas wegen Vertragsbruch rechtliche Schritte einzuleiten, sofern die Ukraine und Russland nicht „kurzfristig“ ihre Probleme lösen. Die Situation sei „unakzeptabel und unglaublich“, empörte sich Barroso am Mittwoch in seiner ungewöhnlich scharfen Rede im Straßburger Europaparlament. Obwohl beide Seiten Vereinbarungen unterzeichnet und sich mehrfach zur Lieferung in die EU verpflichtet hätten, fließe immer noch kein Gas. Mit ihrem Hin und Her führten Russland und die Ukraine Europa vor Augen, dass sie nicht in der Lage seien, ihre Verpflichtungen einzuhalten, sagte Barroso. Wenn Moskau und Kiew nicht schleunigst den Weg für die vertragsgemäßen Gaslieferungen in die EU frei machten, werde er den Mitgliedstaaten empfehlen, nach Alternativen der Gasversorgung zu suchen. Barroso verzichtete in auf eine einseitige Schuldzuweisung. Russlands Präsident Dmitri Medwedew lud derweil Vertreter aller Länder, die russisches Gas importieren, für Samstag zu einem Krisengespräch nach Moskau ein.

Experten aus den EU-Energieunternehmen und aus der Brüsseler Behörde beobachten seit Montag die Einspeisungsversuche an der russisch-ukrainischen Grenze. Offenbar sind sie aber bisher nicht in der Lage, der einen oder der anderen Seite eindeutig die Schuld an der Blockade zuzuweisen. Naftogas hatte am Morgen erklärt, man sehe sich außerstande, das aus Russland eintreffende Gas an die EU und nach Südosteuropa weiterzuleiten. Naftogas warf Gasprom vor, die Transitstrecke für die Lieferungen nach Westen so gewählt zu haben, dass eine Versorgung der ukrainischen Bürger unmöglich werde. Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin wiederum erklärte, für dieBlockade sei allein die Ukraine verantwortlich. „Wir haben den Gashahn aufgedreht und sind bereit zu liefern, aber am anderen Ende ist der Hahn zu“, sagte Putin bei einem Treffen mit den Ministerpräsidenten Bulgariens, der Slowakei und Moldawiens.

Unterdessen erklärte Polens Premierminister Donald Tusk, man müsse sich von Russlands Gaslieferungen unabhängiger machen. Diese seien offensichtlich ein Instrument des Kremls, den eigenen Machtbereich auszudehnen. Tusks Regierung hat daher nun einen Kabinettsbeschluss zur Energiesicherheit vorgelegt. Zentraler Bestandteil ist der zügige Ausbau der Atomenergie. „Bis zum Jahr 2020 werden wir mindestens zwei Atomkraftwerke bauen“, kündigte Tusk an. Offenbar ist die Regierung bei der Entscheidungsfindung weit vorangeschritten. Fachleute hätten bereits „ernsthafte“ Gespräche mit Frankreich und Südkorea geführt. Die polnische Regierung will in den kommenden Monaten neun mögliche Standorte für den Bau eines Akw prüfen. Der nach bisheriger Prüfung beste Standort ist nach Angaben Tusks die nordpolnische Gegend um Zarnowiec in der Nähe von Danzig, etwa 280 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. In dieser Region war zu Sowjetzeiten schon einmal der Bau eines Akw begonnen worden, in den 70er Jahren wurde das Vorhaben jedoch aufgegeben. Tusk erklärte zudem bei einem Treffen mit seinem litauischen Amtskollegen Andrius Kubilus, dass Polen auch interessiert daran sei, zusammen mit Litauen einen neuen Reaktor zu bauen. Darüber hinaus soll der geplante Bau eines Terminals für Flüssiggas in Swinoujscie beschleunigt und neue Gasleitungen nach Deutschland, Dänemark und Österreich gebaut werden.

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