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Eingelagerte Fässer mit Atommüll.

© dpa

Atomendlager Asse: Gegen die Zeit, gegen die Flut

In dem Skandal-Atomendlager Asse lagern 126.000 Fässer mit radioaktiven Abfällen. Der strahlende Müll muss raus, denn täglich laufen 12000 Liter Wasser ins Lager. Darum geht es bei einer Bürgerversammlung. Ein Ortstermin.

Es knallt, Rauch hängt in der Luft vor der Eulenspiegelhalle in Schöppenstedt. Ein paar Jungs werfen Knaller. Es ist Halloween-Nacht, und die Jungs haben ihren Spaß. Drinnen im Saal hat an dem Abend sichtlich niemand Spaß. Dort geht es nämlich um die benachbarte Asse. Etwa 80 Bürger aus Schöppenstedt, aus Asse und einigen anderen umliegenden Gemeinden haben sich am versammelt, um sich darüber informieren zu lassen, was mit den Fässern passieren soll, wenn sie denn dereinst irgendwann in den 2030er Jahren tatsächlich aus dem Berg geholt werden können.

In dem Skandal-Atomendlager, das sein Abwickler Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) inzwischen „Schachtanlage Asse II“ nennt, lagern knapp 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen. Sie wurden seit den späten 1960er Jahren in dem alten Salzbergwerk abgekippt. Sie sollen raus aus dem löchrigen Berg, in den täglich rund 12.000 Liter Wasser laufen – und keiner weiß woher. Es geht darum, dass der Müll, wenn er nicht mehr im Berg liegt, woandershin muss. Damit das kein Sicherheitsrisiko für die Beschäftigten, die Bevölkerung und die Umwelt wird, muss der Atommüll, der in der Asse mit allerhand giftigen Chemikalien gemischt ist, neu verpackt werden.

Logistischer Aufwand

Das Material muss in neue dichtere Fässer, die wiederum in größere Behälter verladen und dann an einem sicheren Ort gestapelt werden – einem Zwischenlager. Und zwar so lange, bis klar ist, wo der Asse-Müll in ferner Zukunft sein Endlager finden wird. Heike Wiegelt, SPD-Kreisrätin im Landkreis Wolfenbüttel und seit Jahren mit dem Asse-Desaster beschäftigt, regt sich als erste auf. „Unredlich ist das und unehrlich“, schimpft sie. Denn zuvor hat Peter Wellmann vom BfS dargelegt, wie sein Haus das Problem am liebsten lösen würde. Ein Gebäude mit einer Fläche von etwa 20 Fußballfeldern soll den Atommüll aus dem Schacht übernehmen.

Sind die Fässer äußerlich relativ intakt und trocken, können sie in der sogenannten Konditionierungsanlage neu verpackt werden und sind dann im besten Fall lagerfähig. Doch die 176 Fässer, die im Idealfall pro Tag aus dem Schacht geholt werden könnten, können nicht alle auch schon am gleichen Tag verpackt werden. Eine so große, aufwändige Konditionierungsanlage ist bisher noch nirgendwo zum Einsatz gekommen. Es braucht einen geschützten Bereich, in dem Roboterarme ferngesteuert die Verpackung erledigen. Die Technik ist aufwändig und teuer, die Kapazität begrenzt.

Doch angesichts des steten Wasserzutritts in die Asse dürften viele Fässer feucht sein. Sie müssen getrocknet werden, bevor sie verpackt werden. Das BfS plant aktuell mit vier Trockenplätzen. Damit mit der Bergung des Mülls nicht gewartet werden muss, bis der bereits herausgeschaffte Müll sicher verpackt ist, braucht es ein sogenanntes Pufferlager. Und angesichts des Zeitdrucks in der Asse, deren Standfestigkeit zweifelhaft ist, und wo jederzeit mit noch mehr Wasser zu rechnen ist, muss dieses Lager angemessen groß sein. Bis dahin hat auch Heike Wiegelt kein Problem mit der Planung. Doch das BfS hat vorgeschlagen, aus dem Pufferlager in Schachtnähe auf lange Sicht auch gleich das Zwischenlager zu machen.

Auf der Suche nach einem Zwischenlager

Und das will sich Heike Wiegelt so wenig gefallen lassen wie die Mehrzahl der anderen Anwesenden. Das Zwischenlager soll doch bitte bundesweit gesucht werden, verlangen die meisten. Regine Bollmeier, Bürgermeisterin der Samtgemeinde Asse, hat eine entsprechende Resolution mitgebracht, unter die in den mehr als zweieinhalb Stunden immer neue Unterschriften kommen. Am liebsten wäre es den meisten, eine Riesen-Verpackungsanlage und ein kleines Pufferlager zu haben, um doch eine Rechtfertigung dafür zu finden, warum der Müll dann noch mal in ein Zwischenlager transportiert werden soll.

Michael Fuder, als Bürgersachverständiger seit Jahren mit der Diskussion befasst, will das Zwischenlager auch nicht, aber gegen Ende der Veranstaltung sagt er: „Mein Herz sagt: Ich will das nicht. Aber mein Verstand sagt: Wir riskieren mit einem bundesweiten Suchverfahren für ein Zwischenlager die ganze Rückholung.“ Dieses Risiko sehen wohl die meisten. Aber sie wollen sich nicht auf ein Zwischenlager einlassen, das in ihrer Lebenszeit einem Endlager gleichkäme. Denn bis das für die Asse-Abfälle gefunden ist, kann es noch gut 50 Jahre dauern.

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