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Joe Biden, US-Präsidentschaftskandidat der Demokraten.

© AFP

Schwierige „Scientific American“-Wahlempfehlung: Gegen Trump? Ja, doch. Für Biden? Besser nicht.

Die Wahlempfehlung des „Scientific American“ für Joe Biden zeigt: Die Wissenschaft in den USA ist so politisch wie nie. Das ist gefährlich.

Eine eindeutige Übersetzung für das Verb „to endorse“ gibt es eigentlich nicht. Dabei ist ein „Endorsement“ etwas durchaus Eindeutiges: öffentliche Unterstützung für jemanden oder etwas. Oft sind es Geschäfte auf Gegenseitigkeit, etwa wenn ein Sportler einen Energieriegel öffentlich gut findet, ein Gitarrist einen Gitarrenhersteller oder eine Youtuberin eine Make-up-Linie.

In den USA stellt sich eine andere Endorsement-Frage alle vier Jahre: Welchen Präsidentschaftskandidaten soll man unterstützen? Auch da spielen Gegengeschäfte eine Rolle. Zum Beispiel, wenn ein in den Vorwahlen unterlegener Gegner zum passionierten Unterstützer wird, um sich, wenn nicht Würde, so doch zumindest ein Amt zu sichern.

Aber auch viele eigentlich der politischen Objektivität verpflichtete Zeitungen, Zeitschriften, Sender, Websites entscheiden sich dann, eine Wahlempfehlung abzugeben. Mit Objektivität ist das insofern zu vereinbaren, als die ja nicht Neutralität bedeutet.

Die „New York Times“ wird sich bald offiziell positionieren. Sie hat es seit 1860 – damals für einen Republikaner namens Abraham Lincoln – immer getan.

Dass ein Magazin wie „Scientific American“ aber seine Leserinnen und Leser aufruft, ihre Stimmen einem bestimmten Kandidaten zu geben, ist eine Sensation. Vergleichbares hat es in den 175 Jahren, die es besteht, nie getan.

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Eigentlich zur Neutralität verpflichtet

Es ist nicht nur das älteste durchgehend erscheinende Magazin der USA überhaupt, sondern gilt nach wie vor als wichtigste populäre Stimme der amerikanischen Wissenschaft. Denn noch immer stammen viele der dort veröffentlichten Texte von Forschenden selbst – und nicht von Journalisten.

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Die Wissenschaft selbst aber ist eigentlich politisch wirklich zu Neutralität verpflichtet. Beim „Scientific American“ betont man denn auch, sich die Entscheidung nicht leicht gemacht zu haben. Vor allem die Leugnung wissenschaftlicher Belege zu Covid-19 durch den Kandidaten Trump führen die Herausgeber als Beweggrund an.

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Das allerdings würde ja – was im wissenschaftlichen Denken auch viel stringenter wäre – dafür sprechen, sich schlicht gegen Donald Trump, aber nicht namentlich für seinen Herausforderer Joe Biden auszusprechen. Der Vorwurf, dass die Entscheidung wohl auch etwas mit PR zum 175-Jahre-Jubiläum zu tun hat, wird ebenfalls laut.

Den Ausschlag gab wohl, dass 2020 in den USA Wissenschaft so politisch ist wie vielleicht nie zuvor – und das eben vor allem aufgrund antiwissenschaftlicher Politik. In einem freien Land aber sollten dessen Führer eines immer „endorsen“: die möglichst freie, objektive und neutrale Wissenschaft und ihre Ergebnisse. So vorläufig und unbequem die oft sein mögen.

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