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Politik: Gegenwind aus der Ost-SPD für Schwan DDR-Unrechtsdebatte: Sozialdemokraten und Freie Wähler kritisieren Präsidentschaftskandidatin

Berlin - Wenige Tage vor ihrer Kandidatur gegen Horst Köhler für das Amt des Bundespräsidenten ist SPD-Bewerberin Gesine Schwan wegen umstrittener Äußerungen zur DDR unter Druck geraten. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und frühere DDR-Bürgerrechtler Stephan Hilsberg warf ihr vor, die SED-Diktatur zu verharmlosen.

Berlin - Wenige Tage vor ihrer Kandidatur gegen Horst Köhler für das Amt des Bundespräsidenten ist SPD-Bewerberin Gesine Schwan wegen umstrittener Äußerungen zur DDR unter Druck geraten. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und frühere DDR-Bürgerrechtler Stephan Hilsberg warf ihr vor, die SED-Diktatur zu verharmlosen. Ursprünglich sei er zur Wahl Schwans entschlossen gewesen, nun müsse er sein Abstimmungsverhalten am Samstag in der Bundesversammlung noch einmal überdenken. Auch die Freien Wähler übten scharfe Kritik an Schwans Weigerung, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Unterstützung erhielt die frühere Präsidentin der Europa-Universität Viadrina hingegen von der Linkspartei.

Schwan hatte sich am Wochenende in einem Interview mit dem Tagesspiegel noch einmal in die seit Wochen schwelende Debatte über die Bewertung der DDR als Unrechtsstaat eingeschaltet. Sie lehne den Begriff ab, weil er diffus sei, sagte die Kandidatin: „Er impliziert, dass alles unrecht war, was in diesem Staat geschehen ist. So weit würde ich im Hinblick auf die DDR nicht gehen.“ Die DDR sei kein Rechtsstaat gewesen, es habe keine Gewaltenteilung gegeben, Willkür und Unsicherheit seien begünstigt worden, erklärte Schwan weiter. „Die Justiz war ausdrücklich ein Instrument der SED und damit nicht unabhängig. Dies hat zu einer allgemeinen Verunsicherung der Bevölkerung geführt. Das heißt aber doch nicht, dass jede einzelne Handlung etwa im Arbeits- oder Verkehrsrecht unrecht war.“

Hilsberg ging scharf mit Schwans Äußerungen in Gericht: „Wer Diktaturen verharmlost, bereitet den nächsten den Boden.“ Für den Unrechtsstaats-Charakter der DDR gebe es klare Belege, sagte er unter Verweis auf „Todesschüsse an der Mauer, politische Urteile und Zwangsaussiedlungen“. Die DDR sei der Staat der SED gewesen, die Partei habe ihre Macht mit allen Mitteln gesichert. „Dazu gehörte auch die Verfassung von Gesetzen und das Diktat gegenüber Richtern.“ Auch Thüringens SPD-Chef Christoph Matschie distanzierte sich. „Ich weiß nicht, warum man einen Staat nicht Unrechtsstaat nennen kann, in dem systematisch Menschenrechte verletzt wurden“, sagte er der „Thüringer Allgemeinen“. Es nerve ihn, „wenn Wessis eine theoretische Debatte über etwas führen, das sie nie selbst erlebt haben“. Dies werde dem Leiden vieler Menschen in der DDR nicht gerecht.

Kritik an Schwan äußerten auch die Freien Wähler. Natürlich sei die DDR ein Unrechtsstaat gewesen, sagte der Bundesvorsitzende Armin Grein dem Tagesspiegel. Schwans Hinweis darauf, dass etwa im Verkehrs- und Arbeitsrecht nicht alles unrecht gewesen sei, lasse er nicht gelten. Das erinnere ihn an das Argument, dass wegen des Autobahnbaus auch bei Hitler nicht alles schlecht gewesen sei, sagte Grein dem Tagesspiegel. Dass manches in der DDR gut gewesen sei, wie etwa die Kitas oder die Polikliniken, mache sie noch lange nicht zum Rechtsstaat. Grein: „Das Dritte Reich war ein Unrechtsstaat, und die DDR war auch einer.“

Linksfraktionschef Gregor Gysi pflichtete Schwan hingegen bei. „Die DDR war kein Rechtsstaat. Es gab in der DDR Unrecht. Sie war eine Diktatur. Ich würde sie aber nicht als Unrechtsstaat bezeichnen“, sagte er. Bei einer Diktatur könne man unterscheiden, ob die Ziele verbrecherisch seien oder nur die Methoden. In der DDR seien nicht alle Ziele von Anfang an verkehrt gewesen.

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