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Geiselbefreiung in Afghanistan: Ein problematisches Signal

Bundesregierung übt indirekte Kritik an der Verhandlungsstrategie der Südkoreaner mit den Taliban – Die Sorge um die deutsche Geisel Rudolf B. wächst.

Von
  • Robert Birnbaum
  • Hans Monath

Die Bundesregierung sagt nur das Übliche, aber das Übliche hat auf einmal einen scharfen Unterton. Die Freilassung der ersten südkoreanischen Geiseln in Afghanistan stellt für die Verantwortlichen in Deutschland nicht bloß einen Grund zur Freude dar. Denn der Deal, den Südkoreas Regierung mit den Taliban-Kidnappern ausgehandelt hat, bricht gleich mit zwei Tabus. „Es war das erste Mal, dass eine nicht-afghanische Regierung direkt mit Taliban verhandelt hat – jedenfalls offiziell“, sagt Thomas Ruttig, Afghanistan-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Und die Südkoreaner lassen zumindest den Eindruck zu, dass sie politische Zugeständnisse gemacht haben – Abzug der Truppen und von Zivilhelfern.

Darum ist es eben mehr als das Übliche, fast eine diplomatische Unmutsbekundung, wenn Kanzlerin Angela Merkel am Rande ihres Tokio-Besuchs am Mittwoch versichert, an „Art und Umfang“ der deutschen Bemühungen um die Freilassung des entführten Ingenieurs ändere sich nichts. Ihr Vizesprecher Thomas Steg will später in Berlin das Vorgehen der Südkoreaner ausdrücklich nicht kommentieren, auch zum eigenen Vorgehen oder eigenen Prinzipien nichts sagen, ergänzt aber: „Die Bundesregierung ist nicht erpressbar.“ Das ist die Standardauskunft in allen Entführungsfällen. Aber sie klingt diesmal so, als sei „die Bundesregierung“ besonders betont: Wir jedenfalls sind nicht zu erpressen.

Darin steckt zugleich eine Botschaft an jene mutmaßliche Taliban-Gruppe, die den Deutschen Rudolf B.in ihrer Gewalt haben. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass der Verhandlungserfolg der Entführer der Südkoreaner andere Gesinnungsgenossen auf vergleichbare Gedanken bringen könnte. Aber Südkorea hat sich mit seinen politischen Zugeständnissen nicht schwer getan: Der Abzug ihrer letzten 200 Soldaten aus Afghanistan zum Jahresende war beschlossen, bevor die südkoreanische Gruppe entführt wurde; andere christlich motivierte Aufbaugruppen aus dem asiatischen Land sind schon als Reaktion auf die Entführung abgezogen.

Trotzdem hat der Vorgang Signalwirkung. Als die italienische Regierung im Frühjahr bei der Regierung in Kabul durchsetzte, dass die als Preis für einen entführten Journalisten fünf Taliban-Spitzenleute aus dem Gefängnis frei ließ, musste sich die Führung in Rom anschließend wütende Kommentare aus Washington anhören. Das Entgegenkommen der Südkoreaner geht symbolisch sogar noch einen Schritt weiter. Politiker der großen Koalition, nicht so stark an diplomatische und taktische Rücksichtnahme gebunden wie ihre Regierung, werden denn auch deutlich. Der außenpolitische Sprecher der Union, Eckard von Klaeden (CDU), warnt davor, die Taliban zu weiteren Erpressungen zu ermutigen. Sein CSU-Kollege Karl-Theodor zu Guttenberg fürchtet einen „Propagandaerfolg“. „Der Eindruck, dass Geiselnahmen zum Erfolg führen, ist verheerend und generell zu vermeiden“, kritisiert der Außenpolitiker. Er nennt es zudem eine „neue Dimension, Verhandlungen mit den Taliban einem solchen Scheinwerferlicht zu unterstellen".

Auch SWP-Experte Ruttig konstatiert: „Die Taliban sind daran interessiert, sich als eine berechenbare politische Kraft darzustellen, mit denen man verhandeln und tragfähige Ergebnisse erzielen kann. Das ist ihnen mit diesem Schritt gelungen.“ Allerdings warnt der Wissenschaftler auch davor, Südkoreas Handeln in einer „humanitären Ausnahmesituation“ mit einer diplomatischen Anerkennung gleich zu setzen.

Zumal keineswegs so ganz klar sei, mit welcher Art Taliban man es im südkoreanischen wie im deutschen Entführungsfall zu tun habe. Neben dem „historischen“ Kern der Taliban-Führung um den untergetauchten Chef Mullah Omar und dessen Truppen existiert in Afghanistan inzwischen eine Vielzahl lokaler Taliban mit nur sehr lockeren Verbindungen zum Kern. Ruttig plädiert seit längerem dafür, mit solchen Gruppen vorsichtig ins Gespräch zu kommen. Gerade weil womöglich eine solche Gruppe auch die deutsche Geisel in Händen hält, mag der Wissenschaftler der Bundesregierung in ihre Verhandlungsführung nicht hinein reden. Auch für den Weg, mit Entführern nicht direkt zu sprechen, gebe es gute Gründe, „wenn man die Taliban nicht aufwerten will“; vielleicht erscheine im Fall des deutschen Ingenieurs der Weg über Vermittler auch schlicht und einfach als der erfolgversprechendste.

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